Rede zum Gesetzentwurf der Grünen im Bayerischen Landtag am 22.07.2025
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Bauminister!
Wir wollen wieder einmal die Bauordnung ändern. Warum? – Das Thema Hochwasserschutz treibt uns um. Ich möchte Sie an Bilder erinnern, die wir alle noch vor Augen haben: Menschen warten auf ihren Dächern auf Rettung. Straßenzüge verwandeln sich plötzlich in Flussarme. Familien haben ihr Hab und Gut verloren. Und das passiert nicht irgendwo auf der Welt, nicht in Argentinien, nein, das passiert in Bayern. Babenhausen, Reichertshofen, Baar-Ebenhausen –diese Namen stehen inzwischen für großes Leid und große Versäumnisse. Was in diesen Orten geschehen ist, kann morgen woanders passieren, überall dort, wo Wasser keine Rückzugsräume mehr findet; denn Hochwasser kennt keine Ausreden. Es kommt, und es zerstört.
Wenn Menschen ihr Zuhause, ihr Hab und Gut oder im allerschlimmsten Fall ihr Leben verlieren, dann dürfen wir nicht länger darüber diskutieren, ob es sich lohnt, vorzubeugen. Ganz klar: Wir müssen handeln. Wir wissen, dass Starkregenereignisse zunehmen. Wir wissen, dass der Klimawandel nicht auf unseren Terminkalender achtet. Trotzdem lässt es die Staatsregierung weiterhin zu, dass in Bayern mitten in Überschwemmungsgebieten gebaut wird. Obwohl Überschwemmungsgebiete eigentlich dem Schutz vor Hochwasser dienen, wurden in Bayern allein in den letzten fünf Jahren über 3.000 Ausnahmegenehmigungen für Bauvorhaben in genau diesen Zonen erteilt. Lediglich 66 Anträge wurden abgelehnt. Von Schwarzbauten will ich jetzt gar nicht anfangen.
Was als streng begrenzte Ausnahme gedacht war, ist längst zur Praxis geworden. Genau das ist das Problem. Es handelt sich hier um 3.250 Genehmigungen in Risikozonen. Das ist ein regelrechtes Versagen.
Wer so handelt, schafft neue Gefahren, statt bestehende zu minimieren. Ich nenne das Staatsversagen. Damit werden Menschenleben wissentlich gefährdet. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, abgekürzt GDV, hat sich in letzter Zeit sehr oft zu Wort gemeldet. Er spricht sich dafür aus, dass in Überschwemmungsgebieten keine Neubauten mehr errichtet werden sollten. Damit hat dieser Verband weiß Gott recht; denn der Anteil neuer Wohngebäude in diesen Zonen ist in den letzten 23 Jahren bundesweit gestiegen.
Starkregen, Überflutungen und Dammbrüche sind längst keine Ausnahme mehr, sondern Teil unserer Realität. Das Wasser fragt nicht, ob die Staatsregierung gerade im Wahlkampf ist oder ob irgendwo ein Bebauungsplan ganz schnell durchgedrückt werden soll. Das Wasser kommt, und wenn wir ihm keinen Platz lassen, nimmt es sich diesen Platz. Mit unserem Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung ziehen wir GRÜNE die überfälligen Konsequenzen. Wir wollen kein Bauen mehr in Überschwemmungsgebieten, keine schwammigen Ausnahmeregelungen und keine Genehmigungen gegen jede Vernunft; denn das Bauen im Flutgebiet ist eben keine Zukunftspolitik. Es ist ein Rückfall in alte Fehler, die wir uns angesichts der klimatischen Realität nicht mehr leisten können.
Hinzu kommt, die Versicherungswirtschaft beklagt seit Jahren, dass sie die wachsenden Schäden kaum noch tragen kann. Die Schadenssummen steigen, die Risiken werden immer schwerer kalkulierbar. Es ist kein Zufall, dass Versicherer zunehmend höhere Prämien verlangen oder sich ganz aus der Absicherung bestimmter Gebiete zurückziehen. Paradoxerweise ruft die Staatsregierung nach einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden, während sie es gleichzeitig zulässt, dass in Risikogebieten weiter gebaut wird. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das ist ein geradezu absurder Widerspruch und vor allem extrem verantwortungslos.
Hier werden Eigentum und im allerschlimmsten Fall Menschen gefährdet. Wer sehenden Auges Risiken schafft, darf nicht erwarten, dass die Gemeinschaft alle Kosten trägt. Eine Versicherung funktioniert nur, wenn wir die Risiken verringern, und nicht, wenn wir weitere Risiken aufbauen. Es ist nicht gerecht, dass die Allgemeinheit für Schäden aufkommen soll, die durch falsche politische Entscheidungen überhaupt erst möglich wurden. Solidarität heißt auch: keine Dummheiten auf Kosten aller.
Unser Gesetzentwurf stärkt genau diese Verantwortung durch klare, rechtssichere Regeln, die Risiken wirksam bekämpfen. Eine Sozialisierung der Schäden wäre nur dann gerecht, wenn auch die Risiken durch umsichtiges Planen und Bauen minimiert werden. Der Schutz vor Hochwasser ist kein Luxus, sondern Daseinsvorsorge, und er beginnt mit einer klaren Haltung gegenüber der Fläche; denn Flüsse brauchen Platz, oder sie holen ihn sich. Jede versiegelte Fläche und jedes neue Baugebiet in einem Überschwemmungsraum verschärft die Lage beim nächsten Starkregen, nicht nur dort, sondern auch flussabwärts, in der Nachbargemeinde und auf den nächsten Straßen.
Deshalb sagen wir GRÜNE: Retentionsflächen sind kein Bauland; sie sind Lebensversicherung, und sie gehören dauerhaft geschützt. Retentionsflächen sind unser einziger natürlicher Puffer gegen diese Gefahren. Sie nehmen das Wasser auf, verzögern den Abfluss und schützen so Dörfer und Städte vor Überflutung.
Hochwasserschutz ist also keine Last, sondern Fürsorge für alle. Er schützt das Eigentum, er schützt vor steigenden Versicherungsprämien, er schützt die Rettungskräfte vor Belastungen und er schützt öffentliche Haushalte. Jeder Euro, den wir in die Vorsorge investieren, spart ein Vielfaches an Schadens- und Folgekosten. Wir haben es in der Hand, jetzt für klare Regeln zu sorgen. Unser Gesetzentwurf schafft Sicherheit, Verlässlichkeit und echte Verantwortung. Wir GRÜNE haben mit unserem Gesetzentwurf geliefert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt liegt es an Ihnen: Folgen Sie dem Beispiel der Vernunft. Das dient unseren Kindern und unseren Enkeln. Ich bitte Sie um Ihre Zustimmung.
Meine Rede im Plenum