Ein Gastbeitrag aus der Grün Alternativen Zeitung, Ausgabe 93.
Jede:r kennt den Bayerischen Landtag, aber was macht der eigentlich?
Über Jahre war Bayern der große Bremser bei der Windenergie und füllte mit seiner 10H-Regelung die Schlagzeilen der gesamten Bundesrepublik. 10H – diese Neuregelung in der Bayerischen Bauordnung hatte der Landtag mit CSU-Mehrheit 2014 beschlossen. Sie besagt, dass in Bayern Windräder nur dann gebaut werden dürfen, wenn sie von der nächsten Wohnbebauung einen Mindestabstand in der zehnfachen Gesamthöhe des Windrads haben. Diese Regelung war überhaupt erst durch eine Öffnungsklausel für die Bundesländer möglich geworden, die der Bundestag ins Baugesetzbuch geschrieben hatte. In Bayern wurde so die deutschlandweit strengste Abstandsregel für Windkraft möglich.
Freilich konnten auch weiterhin Kommunen für ihr Gemeindegebiet per Bebauungsplan ein Windrad genehmigen, aber nach 2014 war das so gut wie nicht der Fall. Der Landtag als bayerischer Gesetzgeber sorgte also dafür, dass seither der Ausbau der Windkraft in Bayern so gut wie zum Erliegen kam. Mit dem Wind-an-Land-Gesetz der Berliner Ampelregierung wurde die Verhinderungspolitik in München inzwischen gestoppt. Die 10H-Regelung wird bald bedeutungslos sein.
Das Beispiel zeigt aber, wie verflochten die Politik von Bund, Ländern und Kommunen ist – und wie wirkmächtig Entscheidungen eines Landesparlaments sein können.
Nicht nur Baupolitik und Raumordnung gehören zu den Kompetenzen des Bayerischen Landtags und der anderen Parlamente in anderen Bundesländern, auch bei Straßenverkehr und Abfallwirtschaft, bei Vereins-, Arbeits- oder Lebensmittelrecht sind sie beteiligt. Und bestimmte Bereiche sind gar ausschließlich den Gesetzgebern in den Bundesländern vorbehalten: Schulsystem, Bildung und Kultur, Ordnungsrecht, Denkmalschutz, Hochschulen, Gaststättenrecht, Ladenschluss, Kommunalwesen u.a.
In diesen Bereichen also ist der Bayerische Landtag als Gesetzgeber tätig, ganz ähnlich wie sein Pendant im Bund, der Bundestag. Ein Gesetzesakt des Landtags ist auch der Haushalt des Freistaats, in dem die gesamten bayerischen Finanzen beschlossen werden.
Außerdem wählt der Landtag den:die Ministerpräsident:in und bestätigt dessen Minister:innen, also die Regierungsmitglieder bzw. das Kabinett. Auch das ist eine Parallele zum Bundeskanzler, der ebenfalls vom Bundestag gewählt wird. Und der Landtag übt danach die Kontrolle über die Staatsregierung aus, bzw. vor allem die Opposition tut das. Ein Instrument hierzu ist etwa das Zitierrecht, das bedeutet, dass der Landtag Regierungsmitglieder vor den Landtag oder vor Ausschüsse zitieren und zu einer Sache befragen kann. Oder das Einsetzen von Untersuchungsausschüssen. In Bayern liefen in der aktuellen Wahlperiode vier Untersuchungsausschüsse: Masken-Deals, Ausbau Münchner S-Bahn/Stammstrecke, Zukunftsmuseum Nürnberg, NSU.
Anders als im Bundestag gibt es im Landtag jedoch nicht die Möglichkeit eines Misstrauensvotums zur Abwahl des:der Ministerpräsident:in – hier besteht nur der Weg einer Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof.
Sylvia Schaible