Die Landtagsgrünen Ursula Sowa und Tim Pargent besuchten den Co-Working-Space Cobüro in Schönwald und das Europäische Zentrum für Dispersionstechnologien (EZD) in Selb
Schönwald/Selb. Auf der Spur des innovativen Potentials Ostoberfrankens besuchten die beiden Landtagsabgeordneten der Bündnis 90/Die Grünen, Ursula Sowa und Tim Pargent, am vergangenen Freitag das Fichtelgebirge. Zusammen mit Vertretern des regionalen Kreisverbands haben sie am Vormittag zunächst im Cobüro in Schönwald einen Blick auf die Arbeitsform der Zukunft geworfen: Hier erwarteten sie Fix- sowie Flextables, Multifunktionsraum, Fotostudio, Besprechungsraum und Chill-out-Ecke zur Besichtigung. „Draußen arbeiten wir gerade an einer Terrasse“, erläutert der Inhaber Christian Schlittenbauer. Auch ein Podcast-Studio und die Sanierung der Fassade seien in Planung. „Hier wollen wir an der vorderen Front und auf dem Dach mit Photovoltaik arbeiten.“
Viel Zeit und Geld hat das Ehepaar Schlittenbauer bereits in den ehemaligen Leerstand gesteckt und das Gebäude kernsaniert. Dabei haben sie fast alles wiederverwendet, was sie vorfanden. „Damit liegen Sie architektonisch voll im Trend“, bestätigte ihn Ursula Sowa, die selbst Architektin ist. Christian Schlittenbauer berichtete den Landtagsabgeordneten von seiner Grundidee, einen „Pendlerhafen“ zu schaffen sowie dem Testcharakter des Cobüros und seinen weiteren Ideen: „Wir bräuchten mehrere solcher Orte in Schönwald, jeweils mit unterschiedlichem Charakter: eines mit Café, eines mit Sportmöglichkeiten und eines mit mehr Ruhe.“ Seine Vision sei es, zum einen mehr Leute aus den Ballungsräumen in den Ort zu lotsen, zum anderen pendelnde Mitarbeiter hiesiger Unternehmen vor Ort eine Alternative zum Homeoffice oder Projektgruppen einen kreativen Rahmen zu bieten. „Wir müssen hier noch Leben integrieren!“
Ursula Sowa und Tim Pargent gratulierten dem Ehepaar Schlittenbauer zu ihrer Idee und der bisherigen Realisierung. „Genau so etwas braucht es!“, findet Ursula Sowa. Beide Besucher sind begeistert, dass das innovative Konzept in der ländlichen Region des Fichtelgebirges bereits angekommen ist.
Im Anschluss ging es für die Abgeordneten ins nur wenige Kilometer entfernte EZD in Selb, wo sie vom Standortleiter Dr.-Ing- Felipe Wolff-Fabris herzlichst empfangen wurden. Zunächst konnten sie die Forschungsbereiche und den Rahmen kennenlernen, in den das Forschungszentrum eingebunden ist. Im Anschluss stellte der Gastgeber aktuelle Projekte vor, die für Umwelt- und Klimaschutz wichtige Beiträge leisten können. Da das Forschungszentrum thematisch hochspezialisiert ist, ist es eines von wenigen seiner Art und wird international nachgefragt. Ebenso vielfältig sind auch die Branchen und Projekte, für die das EZD forscht.
Der Wirkungskreis ihrer Arbeit betrifft sowohl die Lebensdauer von Batterien für die Automobilbranche als auch nachhaltige Bindemittel aus nachwachsenden Rohstoffen und die Detektion von Mikroplastik in Wasser. „Das Problem ist, dass fast drei Viertel des Plastikmülls im Mikrobereich liegt. Vieles davon landet irgendwann im Wasser und ist unglaublich schwierig erfassbar“, erläutert Dr.-Ing- Felipe Wolff-Fabris. „Aber es gibt aktuell kein zuverlässiges Verfahren, um kontinuierliche Messungen von Mikroplastik im Wasser durchzuführen – und niemand weiß zum Beispiel, ob es sich auch in unserem Trinkwasser befindet.“ Hierfür arbeitet das EZD zusammen mit der Universität Ulm an einer Lösung. „Zu wissen, wo und wie viel Mikroplastik ist, ist die beste Voraussetzung dafür, um dies zu verhindern. Oder daran zu arbeiten, es zu reduzieren“, findet auch Tim Pargent.
Erschreckend ist neben dem hohen Anteil des Plastikmülls, der als Mikroplastik irgendwann im Wasser landet, aus welchen Quellen dieser stammt. Nummer zehn auf der Liste häufigster Ursachen für Mikroplastik geschieht täglich in unseren Waschmaschinen: „Bei jeder Textilwäsche gibt es Textilabrieb. Bei PET- oder Acrylfasern entsteht Mikroplastik“, erklärt der Ingenieur. „Aber es ist vor allem der Reifenabrieb durch Beschleunigung und Bremsen bei PkWs, der bei Regen in die Umwelt geschwemmt wird.“ Aber es geht hier nicht darum, Materialien oder Autos zu verteufeln. „Hier muss die Entwicklung von Reifen weitergehen, damit nicht mehr so viel Abrieb entsteht“, findet Tim Pargent. Auch Dr.-Ing- Wolff-Fabris weiß: „Kunststoff ist unverzichtbar. Ohne ihn würde das Leben, wie wir es kennen, nicht funktionieren.“ Auch wenn wir heute keinen Kunststoff mehr produzieren würden, würde der Anteil von Mikroplastik dennoch steigen, weil sich bereits so viel in der Umwelt befindet, das sich zersetzt. „Die Thematik der Bio-Abbaubarkeit von Kunststoff ist von großer Bedeutung“, so Wolff-Fabris. „Lösungen sind auch aktuell schon da.“
Doch woran liegt es dann? Der entscheidende Faktor sei wie so oft das Geld: Die Verbraucher sind nicht so sehr gewillt, mehr Geld für abbaubare Kunststoff-Produkte auszugeben. Ursula Sowa interessiert sich auch für die Alternativen zur erdöl-basierten Herstellung von Kunststoff. „Bindemittel und Harze können wir bereits aus nachwachsenden Rohstoffen wie Leinöl herstellen“, erklärt der Standortleiter des EZD. „Bei Kunststoffen gibt es bereits PLA und PHB.“
Als letzter Punkt auf der Tagesordnung stand der Besuch des Erweiterungsbaus – da das Zentrum aktuell mit zehn Mitarbeitenden an seine räumlichen Grenzen stößt. „Wir erhielten Rückmeldungen, unsere Unterstützung für Unternehmen weiter auszubauen“, erinnert sich der Ingenieur. „Dadurch können die Entwicklung neuer Materialien beschleunigt und Innovationsprozesse beschleunigt werden.“ Die Fertigstellung ist für den Juni 2023 geplant – und diesen Termin haben sich die Abgeordneten bereits vorgemerkt.