Die oberfränkischen Grünen fordern die Bayerische Staatsregierung auf, sich klar gegen den Bau eines neuen Atomkraftwerks im tschechischen Tušimice auszusprechen. Die beiden Landtagsabgeordneten Ursula Sowa (Bamberg) und Tim Pargent (Bayreuth) sowie die beiden Bundestagsabgeordneten Lisa Badum (Bamberg) und Johannes Wagner (Coburg) sind sich mit ihren oberfränkischen Parteikolleg:innen einig: „Diese Pläne dürfen nicht umgesetzt werden.“
Oberfranken wäre nämlich aller Voraussicht nach unmittelbar betroffen. Tušimice liegt am Fuße des Erzgebirges südlich von Chomuov (Komotau) und damit nur 17 km von der deutschen Grenze und dem Bundesland Sachsen entfernt. Die Landkreise Hof und Wunsiedel wären vermutlich Teil einer Evakuierungszone des neuen Kernkraftwerks. „Das heißt, Bürger:innen aus Oberfranken sind direkt in ihrer Sicherheit betroffen, wenn es zu einem Reaktorunfall kommt“, warnt die Landtagsabgeordnete Ursula Sowa. Sie erwartet deshalb, dass die Bayerische Staatsregierung Verantwortung übernimmt und Stellung gegen diese mögliche Bedrohungssituation bezieht.
Die Gelegenheit dazu ist da, denn aktuell läuft ein Verfahren nach der Espoo-Konvention. Dieses internationale Abkommen über die „Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen“ regelt die Öffentlichkeitsbeteiligung. Nicht nur der Freistaat, auch alle deutschen Bürger:innen können sich beteiligen und Einwendungen schreiben. Allerdings ist die Einwendungsfrist mit nur drei Wochen sehr kurz – ein weiterer Kritikpunkt der Grünen – und endet schon am 13. Juni 2025.
https://www.bmuv.de/meldung/grenzueberschreitende-umweltvertraeglichkeitspruefung-zum-neubau-eines-akw-mit-smr-in-tusimice-tschechien
Auf dem bisherigen Kohlekraftwerksgelände Tušimice will der staatliche tschechische Energiekonzern ČEZ künftig bis zu sechs kleine modulare Reaktoren mit insgesamt bis zu 1500 MW neu bauen und damit sein drittes Atomkraftwerk betreiben. Diese neue SMR-Technologie (Small Modular Reactor) stößt bei den Grünen auf klare Ablehnung. "Mit den SMR Reaktoren gibt es bisher keine Erfahrung und die Technik ist absolut nicht ausgereift“, stellt die Sprecherin des Kreisverbands Wunsiedel, Brigitte Artmann, fest. „Solche angeblich günstig und schnell zu bauenden Reaktoren mögen harmlos wirken, aber sie vernebeln den Blick auf die Tatsache, dass gerade bei ihnen ein Unfall wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen zur Kastrophe führen kann.“ Und Sowa ergänzt: „Mehrere kleine, dezentral verteilte Reaktoren erhöhen sogar das Risiko und bringen noch mehr Menschen in die Gefahrenzone, wie jetzt eben auch große Regionen im benachbarten Sachsen und Oberfranken.“ Johannes Wagner, Mitglied im Gesundheitsausschuss und Arzt, weist besonders auf die gesundheitlichen Risiken hin: „Selbst geringe Strahlendosen können langfristig das Krebsrisiko erhöhen und besonders Kinder und Schwangere gefährden.“ Das gelte für die Reaktoren wie auch für den Müll. Artmann betont: „Vor allem aber produzieren kleine Reaktoren ebenso Atommüll wie große, für den es auch in Tschechien bisher kein Endlager gibt.“
Für Lisa Badum, Sprecherin für Klimaschutz der Grünen Bundestagsfraktion, sind die Pläne in Tschechien aus der Zeit gefallen: „Atomkraft ist nicht nur hochgefährlich, sondern auch extrem teuer und technologisch rückwärtsgewandt.“ Das moderne europäische Stromsystem mit wachsendem Anteil erneuerbarer Energien braucht als Ergänzung keine trägen Atomreaktoren, sondern flexible und schnell regelbare Großbatterien und Spitzenlastkraftwerke. Die jetzt diskutierte, kaum erprobte SMR-Technologie kann das nicht leisten. „Gerade angesichts dieser Realität ist es absurd, wie jetzt in Tušimice weiterhin mit teuren Atomkraftwerken zu planen“, so Badum.
Der geplante Reaktorbau nahe der Grenze ist für die oberfränksichen Grünen daher ein Irrweg. Stattdessen fordern sie einen gemeinsamen europäischen Ausbau aller Formen erneuerbarer Energie für eine saubere, wirtschaftliche und sichere Energieversorgung.