unterstützt vom Stadtverband BA-Stadt, Bündnis 90/Die Grünen, Stadtratsfraktion Grünes Bamberg und Ursula Sowa MdL
Bamberg ist zur Aufnahme von Geflüchteten bereit und hat sich im Jahr 2020 mit einer Stadtratsmehrheit zum „sicheren Hafen“ erklärt und somit seine Bereitschaft verkündet, über den Königsteiner Schlüssel hinaus Geflüchtete aufzunehmen und zu integrieren. Die Unterzeichner*innen (im Nachgang zusammengefasst als Grünes Bamberg) unterstützen dies nach wie vor ausdrücklich.
Die Aufnahmeeinrichtung Oberfranken (AEO), bzw. das Ankerzentrum als Massenunterkunft von zeitweise fast 2500 Personen ist jedoch in dieser Form nicht akzeptabel und wird von Grünes Bamberg abgelehnt. Wir fordern eine dezentralere Forderung der Unterbringung. Und wir fordern nachdrücklich von der Bayerischen Staatsregierung, dass sie ihre im Jahr 2015 schriftlich festgehaltene Zusage gegenüber der Stadt Bamberg einhält, das Ankerzentrum 2025 aufzulösen.
Zur AEO/Ankerzentrum und der künftigen Unterbringung von Geflüchteten haben wir folgende Standpunkte:
1. Unterbringung von Geflüchteten in Bayern gerecht verteilen
Nach dem Gesetz ist der Freistaat für eine ordentliche Unterbringung von Geflüchteten zuständig und somit in der Pflicht. Geflüchtete müssen über den gesamten Freistaat gerecht verteilt untergebracht werden, das gilt auch für Erstaufnahmeeinrichtungen. Die meisten anderen Regierungsbezirke arbeiten in diese Richtung. So hat etwa in Oberbayern die Erstaufnahmeeinrichtung Manching fünf Filialen, Zirndorf (Mittelfranken) und Deggendorf (Niederbayern) drei Filialen. Im Regierungsbezirk Oberfranken konzentriert sich die Erstaufnahme hingegen ausschließlich auf Bamberg.
Wir wollen, dass der Freistaat auch in Oberfranken die Erstaufnahme auf mehrere Orte gerecht und angemessen verteilt.
2. Situation für Geflüchtete, Aufnahmegesellschaft und Nachbarschaft verbessern
Die AEO als eine mit Stacheldraht umzäunte Massenunterkunft ist weder für die Bewohnenden noch für Nachbar:innen im Stadtteil noch für die gesamte Stadtgesellschaft gut. Die Gründe hierfür sind vielfältig und hinlänglich bekannt: Ausgrenzung und Ghettoisierung, soziale Probleme fördernde Wohnzustände, für Kinder schädliche Bedingungen, Mangel an Sprachkursen, Kleinkriminalität, Polizeieinsätze, Unsicherheitsempfinden in der Nachbarschaft, hohe staatlichen Kosten der gesamten Einrichtung (Security, Kantine u.a.) usw.
Wir wollen eine dezentrale Unterbringung mit Selbstversorgung der Geflüchteten in deutlich kleineren Gemeinschaftsunterkünften bzw. in Einzelwohnungen, auch schon während des Asylverfahrens, so dass sich eine Unterbringung im Format „Erstaufnahmeeinrichtung“ tatsächlich nur dem ersten Ankommen dient und sich auf wenige Wochen beschränkt.
3. Integration ermöglichen, Ehrenamt fördern
Das Ankerzentrum als Unterbringungsform grenzt aus und will Integration absichtlich verhindern. Ein Zugang ist nur mit Genehmigung möglich, Einzelkontakte können schlecht geknüpft und schwer gepflegt werden, wenn sie denn überhaupt zustande kommen. Ehrenamtliche können sich nur engagieren, wenn sie Hürden überwinden. Normale nachbarschaftliche Kontakte, wie sie etwa im Stadtteil, beim Einkaufen, auf dem Spielplatz, am Arbeitsplatz im Kindergarten oder in der Schule entstehen, kommen durch die Massenunterbringung absichtlich nicht zustande.
Das heißt: Die üblichen Wege der Integration sind den Geflüchteten im Ankerzentrum nahezu komplett versperrt. Ehrenamtliche werden abgeschreckt und sind schwer zu gewinnen bzw. zu halten.
Wir wollen, dass Geflüchtete in der Stadtgesellschaft leben und ihnen die Möglichkeit zur Integration eröffnet wird bzw. sie dabei unterstützt werden. Ehrenamtliches Engagement, das hier eine wichtige Säule ist, muss gezielt gefördert werden, auch durch mehr finanzielle Mittel für unterstützende Organisationen.
4. Einen neuen Stadtteil entwickeln
Das Konversionsgelände der Warner Barracks hat neuerdings eine Bamberger Zukunftsperspektive, nachdem die BIMA einen städtebaulichen Ideenwettbewerb ausgeschrieben hat. Im Rahmen des Rückbaus der Bundespolizei (bis 2033) und des Ankerzentrums (bis 2025) soll sich hier ein neuer Stadtteil entwickeln, was wir sehr begrüßen. Dabei ist auch die Unterbringung von Geflüchteten in dem neuen Stadtteil geplant.
Wir wollen, dass dies in dezentralen Unterkünften erfolgt, die nicht über das für Wohnhäuser normale Maß hinaus nach außen abgeschlossen, umzäunt oder ummauert sind. Es soll sich um integrierte Wohnhäuser bzw. Wohnungen handeln. Wir sprechen uns gegen die im Wettbewerb vorgesehene Unterbringung von 1500 Personen in einer einzigen Einrichtung aus, da dies wiederum eine Massenunterkunft und für alle Beteiligten schädlich wäre. Geflüchtete sollen außerdem möglichst gleichmäßig auch in allen anderen Bamberger Stadtteilen wohnen.
5. Freistaat muss jetzt schleunigst Fehler der Vergangenheit beheben
Die Zeit drängt – der Freistaat muss unverzüglich die Fehler der letzten Jahre korrigieren. Denn mit der konzentrierten Flüchtlingsunterbringung in Massenunterkünften (so wie in Bamberg) wurden zahlreiche dezentrale Unterkünfte in allen Regierungsbezirken geschlossen, so dass die heute fehlenden Kapazitäten ein hausgemachtes Problem sind. Dass die Kommunen sich aufgrund dieser Entwicklung nun mit dem Rücken zur Wand sehen, ist in gewisser Weise nachvollziehbar. Wie viel Wohnraum jedoch aktivierbar ist, zeigte sich bei den ukrainischen Geflüchteten.
Wir wollen, dass der Freistaat seiner Verantwortung gerecht wird und Ersatz für die aufgegebenen Unterkünfte schafft bzw. die Kommunen bei dieser Herausforderung vor Ort unterstützt. Dazu gehört auch, die Rahmenbedingungen vor Ort günstig zu gestalten: Finanzierung von Asyl- und Migrationsberatung, sozialer Infrastruktur (Sozialarbeit an Schulen, Sprachförderung usw.), mit ÖPNV erreichbarer Sprachkurse, Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt (insbesondere leichter zu erlangende Beschäftigungserlaubnisse durch bayerische Behörden) usw.
6. So soll es auf dem AEO-Gelände weitergehen:
Das jetzige Ankerzentrum/AEO ist vertragsgemäß 2025 aufzulösen.
- Für das bis dahin genutzte Areal ist umgehend ein Transformationsprozess einzuleiten, der ein gemischtes Urbanes Quartier ermöglicht (ohne Stacheldraht oder besondere Umzäunung), in dem Wohnen,Arbeiten und Leben für Menschen mit und ohne Fluchthintergrund möglich ist. Dazu kann auch eine Erstaufnahmeeinrichtung (für mehrere hundert Menschen, und zur reinen Erstaufnahme) gehören.
- Dieses neue Quartier wird durch ein soziales Quartiersmanagement begleitet. Unter soziologischer Begleitung (Universität Bamberg) werden zudem innovative Wohnraummodelle entwickelt.
- Eine angemessene soziale Infrastruktur wie Kindergarten, medizinische Versorgung, Schulangebote, soziale Treffpunkte, Nahversorgung usw. wird mitgeplant.
- Der Planungsprozess erfolgt partizipativ mit der Gesellschaft.
- Ziel ist ein integrativer Stadtteil, der interkulturelle Aspekte berücksichtigt und wertschätzt.
Bamberg, im Juli 2023
Stadtverband BA-Stadt, Bündnis 90/Die Grünen
Stadtratsfraktion Grünes Bamberg
Ursula Sowa MdL