Mit dem „Modernisierungs- und Beschleunigungsprogramm 2030“ plant die Bayerische Staatsregierung zahlreiche Erleichterungen. So soll Bürokratie abgebaut, Verfahren beschleunigt und der Mittelstand besser unterstützet werden.
Um die Entbürokratisierung voranzubringen, hat die Staatsregierung ein erstes Modernisierungsgesetz in den Landtag eingebracht – der Startschuss für eine Reihe von Modernisierungsgesetzen. Mit dem Ersten Modernisierungsgesetz Bayern sollen im Baurecht 30 Bestimmungen gestrichen oder gelockert werden. Die erste Beratung des Gesetzentwurfs und der Änderungsanträge im Themenbereich Bauen fand am 12. November im Bauausschuss statt.
Aus Sicht der Landtags-Grünen entzieht dieses Gesetz allein im Bereich Bauen an zu vielen Stellen den Kommunen ihre Kompetenzen! Pauschalisierte Richtlinien und Vorgaben führen zu einer Situation, in der außer Acht gelassen wird, dass vor Ort oft deutlich besser und individuell entschieden werden kann. In seiner jetzigen Form sorgt das Gesetz aber vor allem für deutlich mehr Bürokratie und damit potenzielle Unklarheit und lange Bearbeitungsprozesse. Unsere grünen Änderungsanträge wurden leider von den Regierungsfraktionen abgelehnt. Das Erste Modernisierungsgesetz Bayern soll zum 01.01.2025 in Kraft treten.
Unsere 10 Änderungsanträge im Baubereich
Bisher haben Bayerns Kommunen die Möglichkeit so genannte Freiflächengestaltungssatzungen zu erarbeiten. Damit können genaue Vorgaben zur klimafreundlichen und hitzeresistenten Gestaltung des Ortsbilds gemacht werden. Konkret regeln die Satzungen individuell welche und wie viele Bäume gepflanzt, ob wasserdurchlässige Bodenbeläge (statt Beton oder Asphalt) verwendet werden oder auch die Vorgaben zur Begrünung von Flachdächern. Ziel ist weitere Bodenversiegelung zu vermeiden. Das Modernisierungsgesetz hebelt diese Möglichkeit mit einem Streich komplett aus. Künftig könnten so beispielsweise auch wieder Schottergärten entstehen, die den Boden massiv aufheizen und der Artenvielfalt den Garaus machen. Das kritisieren neben uns Grünen unter anderem auch die Architektenkammer und der Bayerische Städte- und Gemeindetag. Wir finden: Der Ansatz Bürokratie abzubauen, indem man Kommunen ihre Gestaltungsspielräume nimmt, ist der grundlegend falsche Weg.
Die vorgesehene Änderung im Gesetzentwurf der Staatsregierung sieht die Verfahrensfreiheit für den Dachgeschossausbau bestehender Gebäude einschließlich der Errichtung von Dachgauben vor. Das grundsätzlich nachvollziehbare Anliegen der Erleichterung bei der Schaffung von neuem Wohnraum löst allerdings in der vorgeschlagenen Variante mehrere neue Problemfelder aus. So sind zum Beispiel häufig Belange des Personenschutzes berührt, da die Führung des zweiten Rettungswegs im Dachgeschoss im Einzelfall besondere Lösungen erfordert. Durch die Verfahrensfreiheit fehlt die Kontrolle, ob das künftig genutzte Dachgeschoss auch im Brandfall durch die Feuerwehr erreicht werden kann.
Vor allem auf dem Land sind viele in Bayern auf mindestens ein Auto angewiesen. Für ein Auto braucht es einen Stellplatz, am besten auf dem eigenen Grundstück. Die Staatsregierung möchte im 1. Modernisierungsgesetz die Pflicht, bei einem Bauvorhaben Stellplätze nachweisen zu müssen, grundsätzlich abschaffen (Ziel soll die Verringerung der Baukosten sein). Es gibt aber einen sehr guten Grund dafür, dass zu einem neuen Gebäude Stellplätze gehören. Wenn nicht auf dem eigenen Grundstück oder in der eigenen Garage geparkt werden kann, weichen die Leute logischerweise auf öffentliche Parkplätze und in Nachbarstraßen etc. aus. Wenn Kommunen das verhindern wollen und trotzdem die Notwendigkeit sehen eine Stellplatzsatzung zu erlassen, dann müssen sie diese laut CSU/Freie Wähler-Idee selbst erarbeiten. Viele Kommunen werden durch den Wegfall der Stellplatzpflicht erstmals eine Satzung erlassen – also erstmal deutlich mehr Bürokratie. Allerdings: Die Staatsregierung erschwert ihnen die ohnehin komplizierte Aufgabe, indem sie Obergrenzen für jeden Gebäudetyp festsetzt und damit eine Differenzierung zwischen der Münchner Altstadt und einem niederbayerischen Dorf nicht mehr möglich macht. Ein absolut unsinniges Durcheinander, unter dem am Ende alle zu leiden haben!
Bisher gilt in Bayern: Bei Bauvorhaben ab 3 Wohnungen muss in der unmittelbaren Umgebung ein Spielplatz verfügbar sein/neu entstehen. So steht es in der Bauordnung. Diese Vorgabe wollen CSU und Freie Wähler künftig streichen. Gleichzeitig sollen Kommunen per Satzung zwar eine Spielplatzregelung erlassen können – allerdings erst ab 5 Wohnungen. Wieder entsteht neue Bürokratie, weil Kommunen Spielplatzsatzungen erlassen müssen. Wenn sie dies nicht tun, erhalten sie auch keine Ablöse von Bauherren, um selbst Spielplätze finanzieren zu können. Die Anhebung von 3 auf 5 Wohnungen lässt unterm Strich weniger Spielplätze entstehen. Das ist ein klarer Nachteil für Kinder und Familien. Die bisherige gesetzliche Pflicht hat sich bewährt und sollte aus unserer Sicht mit dem gleichen Schwellenwert beibehalten werden.
Art. 6 Abs. 5a der Bayerischen Bauordnung macht Kommunen mit mehr als
250 000 Einwohnern (also faktisch der Landeshauptstadt München sowie den Städten Nürnberg und Augsburg) lockerere Vorgaben zu Abstandsflächen und zur Anrechnung von Dachflächen, als dies in allen anderen Gebieten von Bayern gilt.
Gerade in Großstädten wäre mit einem Standard von 0,4 H eine notwendige, sinnvolle und flächensparende Nachverdichtung möglich. Die Sonderregelung schafft ein eigenes Abstandsflächenrecht auf Basis einer willkürlich gewählten Einwohnerinnen- und Einwohnerzahl und widerspricht zugleich dem Ziel einer baurechtlichen Vereinfachung.
Mit der vorgesehenen Änderung könnten Typenbauten weiterverwendet und eingebaut werden, auch wenn sie den geänderten Anforderungen an Bautechnik und Funktionalität in keiner Weise mehr Rechnung tragen. Da die Erfordernisse bei Vorhaben im Bestand, selbst bei einer Aufstockung, in der Regel stark einzelfallorientiert sind, wird sich die Typengenehmigung in erster Linie auf den Neubau beziehen. Eine damit verbundene Priorisierung und Privilegierung des Neubaus trägt zu weiterer Flächenversiegelung bei.
Übergroße Stell- und Lagerplätze können gerade im Innenbereich Emissionen erzeugen, die zu einer Beeinträchtigung der Nachbarschaft und der städtebaulichen Entwicklung führen können. Eine flächenmäßige Begrenzung bei der Verfahrensfreiheit ist somit angezeigt, um den berechtigten öffentlichen Interessen im Verfahren Rechnung tragen zu können.
Zudem besteht mit der vorgeschlagenen Neufassung ein hohes Risiko für unkontrollierte Flächenversiegelung im Innenbereich, die ökologisch kritisch zu betrachten ist und auch im übergeordneten Sinne kontraproduktiv. Sie widerspricht den Zielsetzungen der Staatsregierung hinsichtlich des Flächensparens und des Klimaschutzes.
Mit der vorgesehenen Änderung im Gesetzentwurf der Staatsregierung wären zukünftig auch Schwimmbecken mit deutlich mehr Volumen als bisher 100 m³ verfahrensfrei. Der Bau großer privater Schwimmbecken erscheint angesichts häufigerer und längerer Trockenperioden hinsichtlich des Wasserverbrauchs, aber auch der Energiekosten gesellschaftlich nicht unbedingt erstrebenswert. Die Größenordnung von 100 m³ ist auch nicht aus der Luft gegriffen, sondern in der Musterbauordnung (MBO) der deutschen Bauministerkonferenz in § 61 Nr. 10a MBO vereinbart. Ein bayerischer Sonderweg ohne tatsächlich relevanten Mehrwert in der Praxis ist weder erforderlich noch erstrebenswert.
Mit der Ergänzung könnten Agri-PV-Anlagen nicht nur in der gartenbaulichen Erzeugung, sondern auch in der Landwirtschaft einfacher umgesetzt werden. Agri-PV trägt hierbei nicht nur zur Energieerzeugung bei, sondern schützt die Ernte vor zu viel Sonneneinstrahlung, Hitze oder Hagel. Im Übrigen ist die Doppelnutzung von Flächen für Landwirtschaft und Stromerzeugung in Zeiten knapper Flächenverfügbarkeiten und von Rückgängen bei der landwirtschaftlichen Nutzfläche gesellschaftlich und politisch äußert wünschenswert.
Schon heute ist es gängige Praxis, Hopfengerüstanlagen mit Verweis auf Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. g der Bayerischen Bauordnung zu genehmigen, wenngleich im Hinblick auf die Größe und die statischen Anforderungen diese kaum mit den in Art. 57 Abs. 1 Nr. 16 aufgezählten Beispielen wie Markisen, Taubenhäuser oder Teppichstangen zu vergleichen sind. Mit der Ergänzung von Hopfengerüstanlagen wird der klare Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck gebracht, Hopfengerüstanlagen auch künftig weiterhin verfahrensfrei zu stellen und insofern Rechtssicherheit bzw. Rechtsklarheit geschaffen.