Rede zum Gesetzentwurf der Grünen im Bayerischen Landtag am 10.12.2025
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist ein ernstes Thema. Wir alle haben die Bilder noch vor Augen: Menschen, die auf Dächern auf Rettung warten, Straßenzüge, die sich in reißende Flüsse verwandeln, und Familien, die in wenigen Stunden alles verloren haben. Dies geschah nicht irgendwo, sondern bei uns in Bayern: in Babenhausen, Reichertshofen und Baar-Ebenhausen. Das sind Namen, die inzwischen für extremes Leid und für politische Versäumnisse stehen. Bis heute sind diese Namen noch präsent.
Was dort geschehen ist, kann morgen woanders passieren, und zwar überall dort, wo wir dem Wasser keinen Raum lassen; denn Hochwasser kennt keine Ausreden. Es kommt, und es zerstört. Wenn Menschen ihr Zuhause, ihr Hab und Gut oder sogar ihr Leben verlieren, dann dürfen wir nicht länger diskutieren, ob es sich lohnt vorzubeugen. Nein, wir müssen handeln. Wir wissen, dass der Starkregen zunimmt. Wir wissen, dass wir mitten im Klimawandel stehen. Trotzdem lässt die Staatsregierung weiterhin zu, dass in Bayern mitten in Überschwemmungsgebieten gebaut wird, obwohl Überschwemmungsgebiete eigentlich dem Schutz vor Hochwasser dienen.
Allein in den letzten fünf Jahren wurden sage und schreibe über 3.000 Ausnahmegenehmigungen für Bauvorhaben in genau diesen Zonen erteilt. Nur 66 Anträge wurden abgelehnt. Was eigentlich als Ausnahme gedacht war, ist längst zur Regel geworden, und genau das ist das Problem. 3.250 Genehmigungen in Überschwemmungsgebieten sind kein Schutz, sondern Staatsversagen, und, was noch schlimmer ist, es gefährdet wissentlich Menschenleben.
Das ist kein rein bayerisches Problem, sondern ein bundesweites Versäumnis. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft zeigt dies deutlich: Seit dem Jahr 2000 wurden deutschlandweit über 32.000 Wohngebäude in Überschwemmungsgebieten gebaut. Jedes Jahr entstehen 1.000 bis 2.400 neue Häuser in diesen Gebieten. Inzwischen stehen bundesweit rund 270.000 Wohngebäude in hochgradig überschwemmungsgefährdeten Gebieten. Der GDV sagt klar: In Überschwemmungsgebieten darf nicht gebaut werden, und er hat recht; denn mit jedem neuen Haus in diesen Zonen entsteht ein neues Risiko, nicht nur für die Menschen dort, sondern auch für alle, die weiter von diesem Fluss weg wohnen.
Starkregen, Überflutungen, Dammbrüche sind längst keine Ausnahme mehr, sondern Teil unserer Realität. Das Wasser fragt nicht, ob die Staatsregierung gerade im Wahlkampf ist oder ob irgendwo noch ein Bebauungsplan durchgedrückt werden soll. Das Wasser kommt. Und wenn wir ihm keinen Platz lassen, dann nimmt es sich diesen Platz.
Mit unserem Gesetzentwurf zur Änderung der Bayerischen Bauordnung ziehen wir GRÜNE die überfälligen Konsequenzen. Wir sagen: Kein Bauen mehr in Überschwemmungsgebieten, keine schwammigen Ausnahmen mehr und keine Genehmigungen gegen jede Vernunft; denn Bauen im Flutgebiet ist keine Zukunftspolitik. Es ist ein Rückfall in alte Fehler, die wir uns nicht mehr leisten können.
Hinzu kommt, dass die Versicherungswirtschaft seit Jahren warnt, dass sie die wachsenden Schäden kaum noch tragen kann. Die Schadenssummen steigen, die Risiken werden immer schwerer kalkulierbar. Es ist kein Zufall, dass Versicherer zunehmend höhere Prämien verlangen oder sich ganz aus der Absicherung bestimmter Gebiete zurückziehen. Und dennoch ruft die Staatsregierung nach einer Pflichtversicherung gegen Elementarschäden, während sie aber gleichzeitig zulässt, dass in Überschwemmungsgebieten weiter gebaut wird. Das ist ein geradezu absurder Widerspruch und gleichzeitig extrem verantwortungslos. Es gefährdet Menschen und Eigentum.
Wer sehenden Auges Risiken schafft, darf nicht erwarten, dass die Gemeinschaft alle Kosten trägt. Versicherung funktioniert nur, wenn wir die Risiken verringern, und nicht, wenn wir sie weiter aufbauen. Es ist nicht gerecht, wenn die Allgemeinheit für Schäden aufkommt, die durch falsche politische Entscheidungen überhaupt erst möglich wurden. Solidarität heißt auch, keine Dummheiten auf Kosten aller.
Unser Gesetzentwurf stärkt durch klare, rechtssichere Regeln, die Risiken wirksam begrenzen, genau diese Verantwortung. Eine Sozialisierung der Schäden ist nur dann gerecht, wenn auch die Risiken durch umsichtiges Planen und Bauen minimiert werden. Der Schutz vor Hochwasser ist kein Luxus, sondern Daseinsvorsorge, und er beginnt mit einer klaren Haltung gegenüber der Fläche; denn Flüsse brauchen Platz, oder sie holen sich ihn.
Jede versiegelte Fläche und jedes neue Baugebiet in einem Überschwemmungsraum verschärft die Lage beim nächsten Starkregen, nicht nur dort, sondern auch flussabwärts im nächsten Ortsteil oder in der Nachbargemeinde. Deshalb sagen wir klar: Retentionsflächen sind kein Bauland. Retentionsflächen sind Lebensversicherungen, und sie gehören dauerhaft geschützt. Stimmen Sie unserem Gesetz bitte zu!
Meine Rede im Plenum