Am 15. Oktober 2025 war der Kammervorstand der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau zu Gast bei unserer Grünen Landtagsfraktion.
Beim Parlamentarischen Frühstück stand das Thema „Klimaschutz und Bauen“ im Mittelpunkt – mit vielen Facetten: vom bezahlbaren Wohnraum über den Gebäudetyp E und die Entbürokratisierung bis hin zur die Harmonisierung der Landesbauordnungen und der Frage, wie wir Bauen in Deutschland zukunftsfähiger und krisenfester gestalten können.
Nach der Begrüßung durch meinen Fraktionskollegen Johannes Becher, unseren 1. stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, und Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau, wurde schnell klar: Der Klimawandel stellt das Bauwesen – wie auch Politik und Gesellschaft – vor enorme Herausforderungen. Gleichzeitig bietet er die Chance, neue Wege zu gehen.
Prof. Dr.-Ing. Norbert Gebbeken, Präsident der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und Johannes Becher MdL, 1. stellv. Fraktionsvorsitzende der GrünenDer Bau- und Infrastruktursektor in Deutschland steht vor großen Herausforderungen: zu viel Bürokratie, komplexe Normen, technische Innovationen, Klimaschutzanforderungen und gesellschaftliche Erwartungen verlangen nach neuen Denkansätzen und pragmatischen Lösungen.
Gebäudetyp-e und Wohnungsbau
Der Bedarf an bezahlbaren Wohnraum steigt weiterhin. Oft sind es überzogene technische Standards, die Bauen unnötig teuer machen. Der Gebäudetyp E – das „einfachere Bauen“ – ist hier ein wichtiger Hebel für mehr Klimaschutz und ein kostengünstigeres Bauen.
Ein gutes Beispiel für den Gebäudetyp-e ist das Projekt "Haus fast ohne Heizung" der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft Ingolstadt (GWG). Es zeigt, wie durch einfache Bauweise, reduzierte Gebäudetechnik und den Verzicht auf eine zentrale Heizung nachhaltiger, ressourcenschonender und kostengünstiger gebaut werden kann.
Prof. Gebbeken brachte es mit einem Zitat von Albert Einstein auf den Punkt:
"Jeder intelligente Narr kann die Dinge größer und komplexer machen. Es braucht einen Hauch von Genie - und viel Mut -, um sich in die entgegengesetzte Richtung zu bewegen."
Gebbeken betonte die Verantwortung der Politik, ein „Gebäudetyp-e-Gesetz“ jetzt schnell umzusetzen, um Rechtssicherheit herzustellen und dadurch die Verbreitung und Akzeptanz des innovativen Ansatzes voranzubringen. Als baupolitische Sprecherin will ich mich hierfür in Bayern einsetzen.
Bürokratie abbauen, Normen vereinfachen
Ein großes Thema in der Diskussion war die Bürokratie im Bauwesen. Die Komplexität von Genehmigungsverfahren, technischen Normen und rechtlichen Anforderungen führt zu unnötigen Kosten, langen Verfahren und hemmt Innovationen. Besonders die Vielzahl von Landesbauordnungen mit ihren 16 unterschiedlichen Regelwerken erschwert eine bundesweit einheitliche und effiziente Baupraxis.
Elke Schubert, Parlamentarische Beraterin für Bauen und Wohnen, Dr.-Ing. Ulrich Scholz und Dr.-Ing. Markus Hennecke, Vorstandsmitglieder der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und Jürgen Mistol MdL, parlamentarischer Geschäftsführer und Sprecher für Wohnen der GrünenBesonders kritisch wurde die Normenpraxis des DIN gesehen, in der Industrieinteressen häufig überwiegen. Die Tatsache, dass Hersteller sowie Vertreter der Industrie-Lobby überproportional an der Entwicklung von Normen beteiligt seien, sei falsch. Ebenso, dass für die Mitarbeit an Normen hohe Summen bezahlt werden müssen.
Zudem werden Normen oft als Innovationsbremse wahrgenommen. Ein Beispiel sei der Stahlbetonbau: Trotz jahrzehntelanger Forschung führen Probleme wie Rissbildung zu überhöhten Sicherheitsanforderungen und unnötigem Materialverbrauch. Hier könnten Alternativen wie Textilbeton oder Duktilbetone große Einsparungen bei Material und CO₂-Emissionen bringen, werden aber aufgrund der bestehenden Normen und Marktdynamik noch zu wenig genutzt.
Die Diskussion zeigte: Wir müssen traditionelle Bauweisen kritisch hinterfragen und innovative Materialien fördern. Neue Baustoffe wie Textilbeton, Carbonbeton oder Naturstein können Ressourcen und CO₂ sparen – wenn wir den Mut haben, Normen zu modernisieren und praxisnäher zu gestalten.
Infrastruktur beschleunigen, Mittelstand stärken
Ursula Sowa MdL, Sprecherin für Bau, Dr. Markus Büchler MdL, Sprecher für Mobilität und Ralf Wulf, Vorstandsmitglied Bayerische Ingenieurekammer-BauAuch im Bereich der Infrastruktur müssen wir schneller werden. Brücken, Straßen und Tunnel werden immer komplexer, gleichzeitig fehlt es an standardisierten Verfahren. Hier gilt es, Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen.
Wir Grüne fordern: Das vom Bund bereitgestellte Sondervermögen muss jetzt zügig in konkrete Projekte fließen. Dabei dürfen regionale mittelständische Ingenieur- und Planungsbüros nicht an den Rand gedrängt werden – sie sind das Rückgrat unserer Bauwirtschaft.
Digitalisierung und Automatisierung: Chancen für Entbürokratisierung
Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) und digitaler Technologien kann helfen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen und bürokratische Hürden abzubauen. Doch Entscheidungen im Bauwesen bleiben immer auch eine Frage menschlichen Ermessens und Verantwortung.
Neues Denken: Vom „Nein, weil“ zum „Wie geht’s?“
Ein roter Faden durch alle Gespräche war das „Mindset“ – die Haltung, mit der wir an Planungs- und Bauprozesse herangehen. Statt Blockaden und Überregulierung brauchen wir Mut, Vertrauen und Pragmatismus.
Bauen darf nicht länger vom Misstrauen gegenüber Innovation geprägt sein. Wir müssen wieder lernen, Chancen zu nutzen, statt Risiken zu vermeiden. Nur so kann nachhaltiges, resilientes und bezahlbares Bauen Realität werden.
Mein Fazit
Das Gespräch mit der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau hat deutlich gezeigt:
Wir stehen an einem Wendepunkt. Bauen in Bayern und Deutschland muss einfacher, klimafreundlicher und effizienter werden – ohne an Qualität zu verlieren. Dafür brauchen wir
- klare politische Rahmenbedingungen,
- weniger Bürokratie,
- moderne, praxigerechte Normen,
- innovative Baustoffe und Bauweisen, die Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung und Klimaschutz miteinander verbinden,
- und Vertrauen zwischen Bauherr*innen, Planenden und Ausführenden.
Denn zu viele Normen und Vorschriften hemmen derzeit Innovation und verteuern das Bauen erheblich. Wir müssen Normen so weiterentwickeln, dass sie Sicherheit und Nachhaltigkeit gewährleisten, aber gleichzeitig Raum für neue Lösungen lassen.
Klimaschutz, Resilienz und Bezahlbarkeit dürfen keine Gegensätze sein – sie gehören zusammen. Ich freue mich, den begonnenen Austausch fortzuführen und gemeinsam mit der Ingenieurkammer und der Baupraxis an konkreten Lösungen zu arbeiten.