Ein Gastbeitrag aus der Grün Alternativen Zeitung, Ausgabe 93.
Die gaz sprach mit den beiden Bamberger Direktkandidierenden Ursula Sowa und Luca Rosenheimer über Leidenschaft im Kampf gegen Rechts, überzeugtes Bahnfahren, Söders Vorliebe für Leberkässemmeln zur Unzeit und über Klimaschutz durch Solarpflicht und den Gebäudetyp E.
Es ist nicht der gemütlichste Ort, wo wir uns mit Ursula Sowa und Luca Rosenheimer treffen, die in den Stimmkreisen Bamberg-Stadt und Bamberg-Land für den Bayerischen Landtag kandidieren. Sie haben explizit diesen Ort ausgesucht, beide unisono, denn schon der Ort des Gesprächs ist ein politisches Statement. Der Bahnhof. Er steht für öffentlichen Verkehr, zukunftsfähigen Verkehr also, für die Verbindung von Stadt und Landkreis. Er ist der „Dreh- und Angelpunkt für klimagerechte Mobilität“, wie Rosenheimer sagt, und natürlich gehören dazu auch nicht nur Züge. Sondern auch Fahrräder, wo wir an wilden Abstellflächen im Laufe unseres Spaziergangs über das Bahnhofsareal vorbeikommen, Car-Sharing – wie aufs Stichwort fährt ein „mei audo“ vorbei – und Busse und natürlich Zufußgehende, die am unattraktiven Bahnhofsvorplatz wenig Freude haben. Der gesamte Nahverkehr muss sich verbessern, in Bamberg und Bayern – eine alte grüne Kernforderung, die natürlich auch Sowa und Rosenheimer stark vertreten.
Der „eiserne Wille“ zum ÖPNV
Beide sind selbst oft am Bahnhof. Ursula Sowa erledigt alle ihre Fahrten nach München mit der Bahn, bei Terminen in Oberfranken nimmt sie häufig ihr E-Bike im Zug mit. Ihren Auto-Führerschein hat sie seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt. Luca Rosenheimer hat den Führerschein erst gar nicht gemacht. Er gehört einer Generation an, in der das eigene Auto mit 18 nicht mehr bei allen der große Meilenstein ist. Beide kennen die Malaisen der Bahn, Verspätungen, defekte Toiletten, nicht funktionierende Aufzüge, „wo ich dann immer andere Fahrgäste bitten muss, mir mit dem E-Bike zu helfen“, sagt Sowa. Und dennoch: Beide schwören auf die Bahn, auf den ÖPNV – „aus Überzeugung“, wie sie beide sagen. „Manchmal braucht man schon einen eisernen Willen dafür“, sagt Rosenheimer, aber hoffentlich ändere sich das, „daran arbeiten wir.“
Und während wir uns an Gleis 1 unterhalten, rattern Güterzüge mit ohrenbetäubendem Lärm durch den Bahnhof. „Auch was neues“, weiß Sowa, „wegen dem Bahnausbau. Die werden auch in Zukunft auf Gleis 1 durchfahren, deshalb soll hier eine Lärmschutzwand gebaut werden.“ Die wird auch nötig sein… man möchte sich schier die Ohren zuhalten.
Der Lärm passt irgendwie zur Frage: Bringt der Rechtspopulismus unsere Demokratie in Gefahr? Luca Rosenheimers kräftige Stimme übertönt das Gleisgetöse. Dafür muss er ganz offensichtlich nicht viel Mühe aufbringen, allein schon des Themas wegen. Da bricht sich politische Leidenschaft sprichwörtlich Bahn. Der junge Grünen-Politiker ist „in großer Sorge“, wie er sagt. Ein mehrheitlich gewählter AfD-Landrat in Sonneberg, also genau aus dem erwiesen rechtsextremen Landesverband Thüringen – das war womöglich ein Dammbruch. „Die demokratischen Parteien müssen gemeinsam für die Demokratie mobilisieren und sie müssen sich konsequent gegen Rechts abgrenzen“, fordert er. Man dürfe jetzt nicht zusehen und das laufen lassen.
Dass dieser junge Mann für die Demokratie brennt, nimmt man ihm ab. Aktuell engagiert er sich für die Initiative „Vote 16“, die das Wahlalter ab 16 Jahren in Bayern fordert. Auch darin sieht er einen Kampf gegen Politikverdrossenheit gerade bei jungen Leuten, die (noch) nicht mitreden und mitentscheiden dürfen. „Wir dürfen nicht Angst vor Beteiligung haben, wir müssen Angst vor Nicht-Beteiligung haben“, warnt er.
Der junge Aktivist
Mit erst 24 Jahren hat Rosenheimer schon einiges an politischem Engagement vorzuweisen. 2015 wurde er in der Geflüchtetenhilfe aktiv, da war er noch im oberbayerischen Germering in der Schule. Er demonstrierte regelmäßig gegen Pegida. Als er 2018 nach Bamberg kam, war er Mitbegründer einer neuen Generation der Grünen Jugend, dann baute er „Fridays for Future“ in Bamberg mit auf und war zeitweise Hauptorganisator des neu gegründeten Bamberger Klimaschutzbündnisses. Nachdrücklich engagiert er sich auch für den Nationalpark Steigerwald. Würde er sich als Aktivist bezeichnen? Rosenheimer antwortet mit einem klaren „Ja!“. Und sich irgendwo festkleben, würde er das auch? „Nein“, auch diese Antwort kommt schnell und entschieden.
Die erfahrene Politikerin
Die Parteikollegin an seiner Seite kommt genau von der anderen Seite des Altersspektrums. Ursula Sowa ist 66 Jahre alt. Ihre politische Karriere hat schon viele Stadien durchlaufen: eine Periode im Bundestag in Zeiten der rot-grünen Bundesregierung, Jahrzehnte im Bamberger Stadtrat, und jetzt steuert sie auf die Fortsetzung ihres Landtagsmandats zu, das sie seit fünf Jahren inne hat. Man könnte sagen, sie ist mit allen Wassern gewaschen.
Mit Rechtspopulisten von der AfD sitzt sie im Landtag. Wie ist da ihre Erfahrung? „Oft würde ich mir wünschen, die Bürgerinnen und Bürger würden die Protokolle der Landtagssitzungen lesen. Da ist deren rechtes Gedankengut schwarz auf weiß niedergeschrieben.“ Aber sie wisse auch, dass diese Politiker:innen sich im alltäglichen Umgang „wie du und ich“ geben. „Sie haben zwei Gesichter“, sagt Sowa. Die Grünen-Politikerin plädiert dennoch unverdrossen für Sachlichkeit und nüchterne Auseinandersetzung. Und sie ist sich mit ihrem jüngeren Kollegen einig, wenn sie fordert: „Bildung, Bildung, Bildung!“ Beide halten Aufklärung und Faktentreue für zentral, wenn es darum geht, eine gute demokratische Kultur aufrecht zu erhalten, die konstruktive Debatten garantiert. Und Rosenheimer betont: „Demokratie ist kein Dienstleistungsservice. Sie braucht uns alle als Demokratinnen und Demokraten.“
Dass Politiker:innen aus der CSU ein gefährliches Spiel treiben, indem sie sich rechtspopulistische Tendenzen aneignen, kritisiert Luca Rosenheimer energisch, man merkt ihm den Zorn an. „Söder bahnt rechten Kräften den Weg, er normalisiert ihre Sprüche – das darf man nicht tun.“ Kann man dann mit so jemand überhaupt in eine Koalition gehen, gesetzt den Fall, das Wahlergebnis im Oktober würde den Grünen diese Möglichkeit eröffnen? In Bezug auf Söder sind beide erstaunlich ablehnend. Eine Regierungsbeteiligung mit Konservativen können sie sich zwar grundsätzlich vorstellen – „natürlich nicht zu jedem Preis“ – aber der Name Söder löst mehr als Zurückhaltung aus.
Söder verkörpert Hybris der CSU
Bei Ursula Sowa hat die grundsätzliche Skepsis auch einen aktuellen Anlass. Sie vertrat ihre grüne Fraktion im Untersuchungsausschuss zum Nürnberger Zukunftsmuseum, dessen Finanzierung komplett aus dem Ruder gelaufen war. Nachgeforscht wurde auch zur Verstrickung von Markus Söder, der aus Nürnberg stammt und damals als Heimatminister seine Finger im Spiel hatte. Bei der Befragung als Zeuge habe sich der Ministerpräsident den Untersuchungsausschussmitgliedern gegenüber respektlos und brüskierend verhalten, berichtet Sowa, noch immer bestürzt. „Er hat in seinem Stuhl gelümmelt, Gummibärchen gekaut und mitten in der Sitzung eine Leberkässemmel gegessen. Er wollte offenbar demonstrieren, was er von den Fragen und den Fragenden hält. Obwohl sich hier ein demokratisches Gremium sehr sachlich mit sehr massiven und substanziellen Vorwürfen auseinandergesetzt hat.“ Dieses Verhalten sei leider nicht singulär und stehe beispielhaft für die Hybris einer Partei, die seit Jahrzehnten Bayern als ihren Hofstaat betrachte.
Ein Wechsel ist also dringend nötig in Bayern, da sind sich Sowa und Rosenheimer einig. Am besten ohne CSU, zur Not auch mit. „Wir sind regierungsfähig“, ist die Grünen-Politikerin überzeugt, „und wir haben das richtige Werkzeug.“ Sie meint, dass sich die von der bayerischen Staatsregierung genannten Ziele auf dem Papier oft gut lesen. „Aber die Umsetzung fehlt dann völlig oder gerät nur halbherzig.“ Als Beispiel nennt sie die Solarpflicht, die in Bayern nur in Gewerbegebieten gilt. „Das bringt nicht viel. Meine Fraktion hätte die Pflicht zu Photovoltaik für alle Dächer von Neubauten und Sanierungen eingeführt, egal wo sie stehen.“ Ähnlich sieht sie es beim Ganztagsausbau an Schulen oder bei den bayerischen Restriktionen im Bereich Einwanderung und Asyl. Auch das lange Festhalten an der 10H-Abstandsregel für Windräder nennt Luca Rosenheimer als Beispiel dafür, dass die CSU in der Vergangenheit festhängt. Erst die Ampel-Regierung in Berlin habe das endgültige Aus für 10H inzwischen vorprogrammiert.
Sowa als amtierende Landtagsabgeordnete hat persönlich noch einiges vor, was sie zu ihrer erneuten Kandidatur bewegt. „Gerne würde ich noch die Ernte von dem einfahren, was ich in Gang gesetzt habe.“ Dass das auch aus der Opposition heraus gelingen kann, mag erstaunen, ist aber so, versichert sie. Die Schulbaurichtlinien befinden sich z.B. in Änderung – und dabei hat sich die baupolitische Sprecherin der Grünen Fraktion massiv eingebracht. „Auf fachlicher Ebene und in den Ausschüssen – fernab der Öffentlichkeit – kann man durchaus etwas bewegen“, sagt Sowa und schwärmt etwa vom „Gebäudetyp E“, den sie in der neuen Bayerischen Bauordnung verankern will. Dabei geht es um die Möglichkeit, Gebäude auch außerhalb der vielfältigen Zwänge von zahllosen DIN-Normen zu bauen. „Das wäre ein großer Schritt hin zu mehr Klimaschutz beim Bauen und würde schnelleren und kostengünstigeren Wohnungsbau ermöglichen.“ Also noch viel zu tun, Frau Sowa? „Ja, unbedingt“ kommt es etwas verschmitzt und mit leuchtenden Augen zurück.
Persönliche Gegenpole –
aber auf einer grünen Linie
Sie wären beide wohl ein gutes Gespann aus Bamberg in München. Der groß gewachsene Luca Rosenheimer, neben dem Ursula Sowa immer mal wieder vom Fotografen am Bahnhof auf eine Stufe hinauf kommandiert wird, damit die Fotos mehr „auf Augenhöhe geraten“. Dann lachen die beiden. Denn inhaltlich und persönlich ist Augenhöhe kein Problem zwischen ihnen, obwohl sie doch so unterschiedlich scheinen: der junge Mann einer neuen Politik-Generation, der frischen Wind mitbringt, und die schon etwas ältere Frau, die auf jahrelanger Erfahrung aufbauen kann und eine allerdings nicht weniger frische Agenda verfolgt. Beide sehen genau das als Vorteil, wollen sich ergänzen, halten eine gesunde Mischung verschiedener Menschen für die beste Variante einer künftigen grünen Landtagsfraktion. Im Wahlkampf wollen sie als Team aktiv sein, auch als Team aus Stadt und Landkreis. Denn hier ist „mehr Kooperation angesagt, wofür wir Grüne den Weg weisen wollen“, sagen Sowa und Rosenheimer. Grüne Programmatik scheint für beide dafür eine stabile Basis zu sein.
Mit den Kandidierenden am Bahnhof waren
Sylvia Schaible (Text) und Thomas Ochs (Fotos).