Mehr Windkraft, mehr Photovoltaik - und überschüssigen Strom für die Wasserstoffproduktion verwenden. Klingt einfach, ist aber noch eine Ausnahme im kommunalen Handeln. Anders in Haßfurt, wo das Stadtwerk seit vielen Jahren genau diese Strategie verfolgt und unermüdlich am Gelingen der Energiewende arbeitet. Eine Delegation aus Stadt und Landkreis Bamberg besuchte Ende April die unterfränkische Stadt, nur wenige Zugminuten von Bamberg entfernt. Die Landtagsabgeordnete Ursula Sowa wurde begleitet von Kreisrat Bernd Fricke, Timm Schulze und Jonas Wenzig, Mitarbeitern der Bamberger Bundestagsabgeordneten Lisa Badum (Grüne) und Andreas Schwarz (SPD), von Lisa Schlicht, als Vertretung der Regionalwerke Bamberg, von Stadtrat Andreas Eichenseher sowie dem Mit-Initiator des Termins Peter Enzenberger. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer des Stadtwerk Haßfurts, Norbert Zösch, besah man insbesondere die Power-to-Gas-Anlage zur Produktion von grünem Wasserstoff. "Es ist wichtig, dass wir mit Vertreter:innen aus Stadt, Landkreis, Landtag und Bundestag die Energiewende anpacken", so Ursula Sowa. "Nur gemeinsam können wir hier Fortschritte erzielen."
Vor sechs Jahren baute man, u.a. in Kooperation mit Greenpeace Energy und Siemens Energy, die Power-to-Gas-Anlage. Wenn viel Wind weht und die dreizehn Windkraftanlagen mehr Strom erzeugen, als verbraucht wird, werden hier also nicht Windkraftwerke wegen Netzüberlastung abgeschaltet. Vielmehr wird mithilfe des Stroms Wasserstoff erzeugt und damit speicherbar gemacht. Man spricht daher auch vom Windgas.
Zwei Millionen Euro ließ sich das Stadtwerk die 1,25 MW-Anlage kosten. Doch die Investition rentiert sich. Sobald die Anlage komplett abfinanziert ist, wird mit der Power-to-Gas-Anlage Energie zu einem Preis angeboten, der mit Erdgas konkurriert - mindestens, schließlich kennt der Gaspreis aktuell nur eine Richtung. Langfristig, für 2040, ist die Prognose, sogar noch deutlich niedriger, bei einem Preis von 6 ct/kWh zu stehen. "Energiepreise senken kann man schon jetzt nur mithilfe der Erneuerbaren", macht Norbert Zösch vom Stadtwerk Haßfurt klar.
Mit ihrem 13,6 MW Batteriegroßspeicher sowie der Power-to-Gas-Anlage reagiert Haßfurt also auf die große Herausforderung der Energiewende, die Energie aus Wind- und Sonnenkraft zeitlich bedarfsgerecht zur Verfügung zu stellen beziehungsweise zu nutzen. Der erzeugte Wasserstoff wird etwa in angrenzenden Unternehmen und einer Schule eingesetzt, bald auch in neuen Tankstellen Lastkraftwägen zur Verfügung stehen. Außerdem wird Wasserstoff ins Gasnetz eingespeist und verdrängt damit das klimaschädliche Erdgas.
Bis zu 30 Prozent Beimischung werden aktuell in anderen Städten erprobt. 10 Prozent Beimischung sind bislang maximal erlaubt, scheitern vor Ort aber noch am Eichamt. Im Ergebnis sind es daher 4 bis 5 Prozent (Stand 2019). Die Sorge vor einem Leitungsverlust des flüchtigen Gases Wasserstoff kann der Stadtwerk-Geschäftsführer indes entkräften, zumindest im Niederdrucknetz. "Bei Stahl- und Kunststoffleitungen gibt es generell keine technischen Probleme", so Zösch. Vielmehr ruft er dazu auf, die Möglichkeit der Beimischung zu verstärken. "Wäre deutschlandweit nur zu 10 Prozent Wasserstoff im Gasnetz, würde das jährlich 6,5 Millionen Tonnen CO2 einsparen", macht Zösch deutlich.
“Um die Klimaziele zu erreichen, müssen wir in den kommenden Jahren so viele energetische Anwendungen wie möglich elektrifizieren”, so Lisa Badum, grüne Bundestagsabgeordnete und Obfrau im Bundestagsausschuss für Klimaschutz und Energie. Aus Öl- und Gasheizungen werden Wärmepumpen und Brennstoffzellen. Aus Diesel- und Benzinfahrzeugen werden Elektroautos und mit Wasserstoff oder E-Fuels betriebene Schwerlastvehikel. Um all das elektrisch betreiben beziehungsweise den klimaneutralen Kraftstoff erzeugen zu können, braucht es weit mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, als wir aktuell Strom aus der Steckdose beziehen. In Haßfurt ist diese Erkenntnis längst Grundlage der Strategie. Schon 2015 hatte man 100 Prozent des Stromverbrauchs durch Erneuerbare abgedeckt. 2020 waren es bereits 229 Prozent.
Dennoch, auch in Haßfurt besteht weiterhin großer Investitionsbedarf. Um sich für diese Aufgabe gut aufzustellen, plant das Stadtwerk Haßfurt aktuell in einem gemeinsamen Landkreiswerk aufzugehen. "Wir werden auch in Bamberg weiter beobachten, ob die Neuaufstellung der Regionalwerke die nötige Wirkung entfaltet", so Bernd Fricke, der auch Fraktionssprecher der Grünen im Kreistag des Landkreises Bamberg ist. Haßfurt bleibt indes auch schon jetzt voll auf Kurs. Der Landkreis Haßberge etwa wird heuer 90 Hektar Photovoltaikanlagen in Betrieb nehmen - genau so viel, wie man für die Erreichung der hoch gesetzten Ziele prognostiziert.