Dass das Handwerk als eine wichtige Säule des Wirtschaftsstandorts Deutschland in der wirtschaftspolitischen Diskussion vernächlässigt wird und unterrepräsentiert ist - das war wohl die einhellige Meinung aller, die bei der Podiumsdiskussion "Bauen neu gedacht im Handwerk der Zukunft" anwesend waren.
Eingeladen hatten Ursula Sowa (Bamberg), baupolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, und ihr Fraktionskollege Andreas Birzele, Fraktionsbeauftragter für das Handwerk und selbst Schreinermeister. Die Diskussion fand in den Räumen der Handwerkskammer Bamberg statt, die auch als Mitveranstalterin fungiert. Zugegen war ausgewiesenes Fachpublikums, bestehend aus zahlreichen Inhaber:innen von Handwerksbetrieben vor Ort.
Drei Punkte bestimmten die Debatte an diesem Abend: Überregulierung und zu viel Bürokratie - Transformation in Zeiten des Klimawandels - Nachwuchs und Ausbildung.
Matthias Graßmann, Präsident der Handwerkskammer Oberfranken, beklagte als Diskussionsteilnehmer auf dem Podium allzu viele Hemmnisse und Regularien seitens des Staates, aber auch bei den Förderkulissen. Er wünschte sich mehr Flexibilität und Orientierung an dem, was die Zeit fordert, auch in Bezug auf den Klimawandel. Als konkretes Beispiel nannte er das Neubauprojekt eines Ausbildungszentrums der Handwerkskammer im Bamberger Süden. Man wolle dort Flusswärme als innovative Heizlösung nutzen, stoße dabei aber auf unglaublich hohe bürokratische Hürden. Alles dauere lange und ziehe sich hin. "Und am Ende haben wir dann womöglich eine Genehmigung für eine schon wieder veraltete Technik."
Ein weiterer Handwerker aus dem Publikum kritisierte, dass man auch noch für die kleinste Baustelle eine detaillierte Gefahrenanalyse erstellen und dokumentieren müsse. "Das ist realitätsfremd und hält nur den Betrieb auf." Außerdem wurden aus dem Publikum die unzähligen DIN-Normen für den Bau kritisiert, die von großteils fachunkundigen Leuten erstellt würden, und bei denen es nur um Profit gehe. "Da finden lauter Deals statt. Das Handwerk hat zu wenig Einfluss."
Andreas Birzele zeigte sich offen für diese Kritikpunkte. "Aber wir müssen hier konkret werden. Pauschales Fingerdeuten auf ein Zuviel an Vorschriften und Bürokratie genügt nicht, das ist schon zu sehr in Mode gekommen. Ich brauche greifbare Beispiele, um mich für Veränderungen einsetzen zu können." Alle Beteiligten versprachen, Birzele konkrete Erfahrungen und Fälle zu liefern.
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Ursula Sowa verwies auf den Gebäudetyp E, der aktuell in 19 Modellprojekten im gesamten Freistaat ausprobiert wird. Bei dieser neuen Baugenehmigungsvariante können viele Normen außer Acht gelassen werden, wenn sich Bauherr und Architekt gezielt darauf einigen. Nach der Modellphase könnte der Gebäudetyp E künftig eine bestimmende Rolle auch in der Bayerischen Bauordnung spielen. Sowa als Sprecherin ihrer Fraktion ist eine engagierte Verfechterin des Gebäudetyps E und hat die Neuerung wesentlich mit auf den Weg gebracht. Das Podium sah darin einen Schritt in die richtige Richtung.
Wie Deutschland die Transformation seiner Wirtschaft in Zeiten des Klimawandels gestaltet, stand im Kreuzfeuer der Kritik von Hermann Graser, Präsident des Natursteinwerkverbands Deutschland. Er stellte die provokante Frage, ob Deutschland nicht mit seinen Milliarden Euro, die in die Transformation der Autoindustrie fließe, auf das falsche Pferd setze. Dass Handwerk und Mittelstand hier nur mit einem Bruchteil abgespeist werden, obwohl Wirtschaftskraft und Arbeitsplatzzahlen um ein vielfaches höher seien - das kritisierten alle Handwerker auf dem Podium. Überhaupt sei die Transformation hier genau so bedeutend. Fritz Müller (Inhaber einer Sanitär- und Heizungsfirma) sieht die Energiewende mit dem nun verabschiedeten Gebäude-Energie-Gesetz GEG (für das Robert Habeck so viel verbale Prügel erntete) auf einem guten Weg. Aber er vermisst das Thema Klimawandel im aktuellen Wahlkampf. Und er vermisst Taten: "Jeder lehnt sich zurück und wartet für seine Heizung auf die kommunale Wärmeplanung." Dabei sei vieles in den Kommunen heute schon klar. Die Bürger:innen könnten jetzt schon handeln und planen. Und die öffentliche Hand müsse mit ihren Investitionen als Vorbild voran gehen.
Die Zukunft des Handwerks ist noch immer von Nachwuchssorgen geprägt, auch wenn Graßmann "Bewegung" spürt und nach seinem Beobachten handwerkliche Berufe an Attraktivität, Respekt und Wertschätzung gewinnen. Dennoch seien vor allem zu viele Eltern an akademischer Ausbildung orientiert, meint Graser. Er fordert ein schulisches Pflichtpraktikum in einem Handwerksbetrieb, nicht nur einen Schnuppertag, sondern ein einwöchiges Praktikum mit echter Praxiserfahrung. Dem konnte auch Grünen-Politiker Birzele nur zustimmen. Er hatte im Landtag den noch etwas sanfteren Antrag gestellt, eine Praktikumsprämie für ein Wochenpraktikum einzuführen, so wie das beispielsweise in Sachsen-Anhalt bereits umgesetzt wird. Aber selbst damit war er an der CSU/FW-Mehrheit gescheitert.
Für Ursula Sowa brachte die praxis- und realitätsorientierte Diskussion an diesem Abend vor allem diese Erkenntnis: "Dem Handwerk muss mehr Gehör verschafft werden." Zusammen mit ihrem Kollegen Andreas Birzele will sie deshalb eine Anhörung im Landtag initiieren. Bei solchen, das hatte bereits Sowas Co-Moderatorin an diesem Abend, Michaela Heimpel (Handwerkskammer Oberfanken), festgestellt, ist das Handwerk nämlich so gut wie gar nicht vertreten.