Interview mit Bau- und Verkehrsministerin Kerstin Schreyer - Schon der Titel „Wir brauchen mehr Parkhäuser“ als Zitat lässt tief blicken
Noch weiter vor dringt man in das innere Seelenleben der Ministerin beim Weiterlesen. Einige knackige Zitate beispielhaft hier zum Gruseln:
Auf die Frage, welche Folgen die Pandemie für das den Wohnbedarf haben wird, schafft Schreyer für die Zukunft eine Verbindung zu einer Vergangenheit, die sie im Zeitalter der Industrialisierung zu verankern scheint: „Die Menschen denken heute mehr darüber nach, wie viel Platz sie haben als früher, als viele nur zum Schlafen nach Hause gekommen sind.“ Man hat die Schlafgänger aus den Fabriknachtschichten regelrecht vor Augen.
Die Sozialquote in München, wonach die Stadt von Bauinvestoren eine Quote von 60 Prozent geförderte bzw. preisgedämpfte Wohnungen fordert, findet Schreyer gar nicht gut und hat echtes Mitgefühl für die gebeutelten Investoren: „Ich verstehe den Ansatz der Stadt, dass sie eine Sozialquote erfüllen will. Aber man muss schon aufpassen, dass man den Anreiz zu bauen, nicht so weit verkleinert, dass keiner mehr bauen will. München ist da schon hart an der Grenze.“
Aufschlussreich (oder auch irritierend) der Frage-Antwort-Austausch zu Hochhäusern:
„Ich glaube, dass wir generell ein Stockwerk höher bauen müssen, (…) Und ein Stockwerk mehr wird das Stadtbild nicht nachhaltig verändern.
Frage: Sind die Münchner weniger großstädtisch, als sie glauben?
Ich glaube eigentlich nicht, dass es den Münchnern um das eine Stockwerk geht. Sie fragen sich eher: Wo soll das dann noch hinführen?
Frage: Sind denn Sie für echte Hochhäuser?
Die Frage ist immer, wann ein Hochhaus beginnt.
Frage: Sollte wieder höher gebaut werden als die 99 Meter, die einst ein Bürgerentscheid als Höchstgrenze definiert hat?
Ja, ich glaube, es muss moderat höher gebaut werden.“
Die Frage, wer wo wohnt, wertet die Ministerin weniger als soziale Frage (wer kann sich was leisten?), sondern mehr als eine nach persönlichem Geschmack, wie diese Antwort zeigt: „Ich habe den Vorteil, dass ich sehr gerne wohne, wo ich wohne. (…) Ich finde, in München haben sehr verschiedene Ecken alle ihr Flair. Die Menschen sind nicht gleich, jeder muss für sich finden, wo er leben will.“ Tja, wenn’s mal so einfach wäre für dem Menschen mit dürftigem Einkommen….
Ein echter Brüller ist dieser verkehrspolitische Grundsatz von Schreyer: „Die Städte müssen sich fragen, was sie mit der Innenstadt wollen. In einer Straße mit besonders hochpreisigen Angeboten muss ich Autos reinfahren lassen. Wer ein teures Schmuckstück kauft, will direkt dorthin fahren.“ Aber sie weiß auch: „Es muss auch Bereiche geben, in denen Musik ist, Cafés, man sich gerne aufhält. Da stört der Autoverkehr. Und anderswo ist es anders. Übrigens nicht nur, wo es um Luxus geht. Auch eine Waschmaschine nehmen Sie nicht mit der S-Bahn mit heim.“ Also: Gefälligst Platz für Autos schaffen, denn nicht Kund:innen kaufen ein, sondern eigentlich deren Autos!
Und das größte Problem für den Verkehr in der Stadt München erkennt die Ministerin deshalb auch darin: „Die Leute fahren ewig im Kreis, um einen Parkplatz zu finden. Das macht Lärm und Abgase. Deshalb wäre es klug, nicht weniger Parkplätze zur Verfügung zu stellen – sondern mehr.“ Ah ja, klar, so hat man schon in der Verkehrspolitik der 1970er gerechnet. Eine Bau- und Verkehrsministerin voll up to date.
Abendzeitung München vom 24.01.2022, Seite 3, „Wir brauchen mehr Parkhäuser“