Der Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr war vom 8. bis 16. Februar 2025 auf Ausschussreise in Singapur
Singapur, einer der kleinsten, aber wirtschaftlich bedeutendsten Stadtstaaten der Welt, ist bekannt für seine moderne Architektur, wirtschaftliche Stärke und kulturelle Vielfalt. Singapur zeigt, wie eine hochmoderne Stadt effizient, nachhaltig und zukunftsorientiert geplant werden kann. Die Kombination aus vertikaler Stadtentwicklung, grünen Flächen, smarten Technologien und langfristiger Planung macht den Stadtstaat zu einem Vorbild für viele Metropolen weltweit.
Vertikale Bauweise und smarte Technologie für eine nachhaltige Stadtentwicklung
Effiziente Planung durch Masterplan
Singapur verfolgt eine langfristige Planung, die alle fünf Jahre überarbeitet wird und auf Landnutzung, Infrastruktur und Umwelt abzielt. Der Plan berücksichtigt das Bevölkerungswachstum und technologische Entwicklungen.
Optimale Nutzung von begrenztem Raum
Trotz des begrenzten Raums sorgt Singapur für eine effiziente Flächennutzung und setzt auf smarte Verkehrssteuerung sowie Hightech-Infrastruktur. Durch eine ausgewogene Mischung aus Wohn-, Geschäfts- und Erholungsflächen wird die Stadt auf die Bedürfnisse ihrer Bewohner ausgerichtet.
Grüne Stadt trotz Hochhäuser
Singapur war einst ein dicht bewachsener Dschungel, von dem noch einige letzte Teile erhalten geblieben sind. Die Stadt bemüht sich aktiv, ihre grüne Infrastruktur auszubauen und wieder naturnaher zu werden. 50 % der Fläche sind für Parks, Grünzonen und Wasserreservoirs reserviert, und Hochhäuser sowie vertikale Gärten bieten zusätzlichen Raum.
Dezentrale Stadtstruktur
Singapur verzichtet auf eine zentrale Innenstadt und setzt stattdessen auf mehrere regionale Stadtzentren. Dies führt zu kürzeren Wegen für die Bewohner, weniger Pendlerverkehr und einer höheren Lebensqualität. Diese dezentrale Struktur entlastet das Hauptgeschäftszentrum und fördert eine bessere Lebensqualität für alle.
Strenge Regulierung & Effizienz
Mit strengen Bauvorschriften und einem effizienten Verkehrsmanagement sorgt Singapur für nachhaltiges Wachstum und soziale Stabilität. Die Wohnraumplanung wird so gestaltet, dass der verfügbare Raum gerecht verteilt wird, um die soziale Struktur zu wahren.
Vertikale Bauweise und grüne InfrastrukturStaatlich geförderter Wohnraum
Singapur verfolgt eine einzigartige Wohnpolitik, die staatliche Kontrolle mit wirtschaftlicher Flexibilität kombiniert. Etwa 80 % der Bevölkerung lebt in bezahlbaren, subventionierten Wohnungen, die vom Housing & Development Board (HDB) verwaltet werden. Diese Wohnungen sind über den Central Provident Fund (CPF), ein Zwangssparsystem für Arbeitnehmer, finanziell gefördert. Die meisten Immobilien werden auf 99 Jahre vergeben, was einem Erbpachtmodell entspricht.
Während staatlich geförderte Wohnungen für die Bevölkerung erschwinglich bleiben, sind private Immobilien, besonders für Ausländer, extrem teuer. Singapur hat so eine Balance zwischen sozialem Wohnungsbau und einem exklusiven Luxusimmobilienmarkt geschaffen.
Die Besichtigung einer öffentlichen HDB-Wohnung ermöglichte persönliche Einblicke in das WohnsystemStaatlich regulierte Integration zur Vermeidung von Ghettobildung
Singapur ist eine der ethnisch vielfältigsten Gesellschaften der Welt. Um soziale Spaltung und Ghettobildung zu verhindern, setzt die Regierung auf staatlich regulierte Wohnpolitik. Das Ethnic Integration Policy (EIP) stellt sicher, dass ethnische Gruppen gleichmäßig in Wohnblocks verteilt sind, insbesondere in den HDB-Wohnungen, in denen rund 80 % der Bevölkerung leben. Dies fördert den sozialen Zusammenhalt und vermeidet Konflikte.
Die staatliche Steuerung erfolgt über eine Quotenregelung, die in jedem Wohnkomplex Obergrenzen für bestimmte ethnische Gruppen festlegt, um Parallelgesellschaften zu verhindern. Gemeinsame Infrastruktur wie Schulen, Gemeinschaftszentren und Parks fördert das Miteinander. Die Sprachförderung und Bildungsinitiativen setzen Englisch als verbindende Sprache in einer multilingualen Gesellschaft.
Herausforderungen und Kritik ergeben sich aus der begrenzten Wahlmöglichkeit beim Wohnort, da Bürger nicht frei entscheiden können, wo sie leben möchten. Zudem erschweren preisliche Unterschiede den Erwerb von Eigentum für bestimmte Gruppen. Ein weiteres Problem ist die eingeschränkte Individualität ethnisch geprägter Gemeinschaften, da die staatliche Wohnpolitik eine Mischung verschiedener ethnischer Gruppen in den Wohnblocks vorschreibt.
Das Konzept der staatlich regulierten Integration wurde während des Besuchs an der Singapore University of Social Sciences (SUSS) thematisiert.Nachhaltige Mobilität durch effizienten ÖPNV und strikte Auto-Regulierung
Singapur hat ein hochmodernes, gut reguliertes Verkehrssystem. Der öffentliche Nahverkehr (MRT und Busse) ist effizient, zuverlässig und umweltfreundlich, während private Fahrzeuge durch hohe Kosten und strenge Regulierungen (wie das Fahrzeuglizenzsystem COE) reduziert werden sollen.
Das Bezahlsystem für den öffentlichen Nahverkehr ist kontaktlos und flexibel. Nutzer zahlen nur für die tatsächlich gefahrene Strecke, und es gibt Rabatte für Fahrten außerhalb der Hauptverkehrszeiten. Um Staus zu vermeiden, setzt Singapur auf smarte Verkehrssteuerung, mit digitalen Verkehrsleitsystemen und einem elektronischen Mautsystem (ERP). Zudem sind Carsharing und E-Mobilität Zukunftstrends.
Singapur als Vorreiter für moderne urbane MobilitätNutzung von KI für Smart City und Effizienz
Singapur nutzt Künstliche Intelligenz (KI) zur Optimierung von Stadtplanung, Verkehr und Verwaltung. Datengetriebene Stadtentwicklung und KI-gestützte Systeme wie ChatGPT verbessern den Bürgerservice und automatisieren Prozesse. Herausforderungen liegen im Datenschutz und der Balance zwischen Effizienz und Privatsphäre.
Was bedeutet Smart City in Zeiten von Künstlicher Intelligenz?Innovative Lösungen für Nachhaltigkeit bei Ressourcenknappheit
Angesichts begrenzter natürlicher Ressourcen hat Singapur innovative Lösungen zur Gewährleistung einer nachhaltigen Wasserversorgung entwickelt. Ein großer Teil des Wassers wird aus Malaysia importiert, aber Singapur setzt zunehmend auf Meerwasserentsalzung und Recycling (NEWater). Bis 2061 strebt Singapur eine vollständige Wasserautarkie an, mit 85 % des Frischwassers aus Entsalzung und recyceltem NEWater.
Für die Stromerzeugung setzt Singapur zu 95 % auf Erdgas, plant jedoch bis 2035 den verstärkten Import erneuerbarer Energie. Der Ausbau von Photovoltaik wird durch begrenzte Flächen erschwert, und Offshore-Windkraft ist derzeit keine Option. Singapur strebt an, bis 2050 CO₂-neutral zu werden und die Treibhausgasemissionen bis 2030 um 36 % im Vergleich zu 2005 zu reduzieren.
Singapur, als dicht besiedelter Stadtstaat mit begrenzten natürlichen Ressourcen, steht vor einzigartigen Herausforderungen in den Bereichen Energie und Wasserversorgung.Singapur - ein Modell für die Zukunft?
Trotz seiner wirtschaftlichen Erfolge und modernen Infrastruktur muss Singapur auch kritisch betrachtet werden. Singapur hat ein autoritäres politisches System. Oppositionelle Parteien und kritische Stimmen haben es schwer, Gehör zu finden, und es gibt strenge Gesetze, die die Meinungsfreiheit einschränken. Zudem gibt es in Singapur eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Der Wohlstand konzentriert sich in den Händen einer kleinen Elite, während es für die weniger privilegierten Bevölkerungsschichten schwieriger wird, in der Gesellschaft aufzusteigen.
Obwohl Singapur als Modell für nachhaltige Stadtentwicklung gilt, gibt es auch Herausforderungen im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit. Der hohe Energieverbrauch, der große CO2-Ausstoß und die Abhängigkeit von importierten Ressourcen stellen die Stadt vor langfristige ökologische Herausforderungen. Und auch wenn 50 % der Flächen für Grünzonen und Wasserreservoirs reserviert sind, domieren sehr stark Beton und Stahl das Stadtbild. Gleichzeitig gibt es jedoch einen klaren Trend hin zu mehr Nachhaltigkeit und der Verwendung alternativer Baumaterialien. Die Richtung stimmt und auch wenn das hehere Ziel noch nicht in Gänze erreicht ist, können wir in einigem von Singapur lernen.