Vom 15. bis 23. Oktober war der Ausschuss für Wohnen, Bau und Verkehr auf Informationsreise in Japan. Trotz der großen Entfernung ist das bilaterale Verhältnis Deutschlands zu Japan von einem engen politischen Austausch und internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Medien gekennzeichnet. Auch Bayern pflegt einen sehr guten Kontakt zu Japan. Mittlerweile haben über 100 bayerische Firmen Tochtergesellschaften, Repräsentanzen oder eigene Produktionsstätten in Japan. Zudem unterhält der Freistaat Bayern eine eigene Auslandsrepräsentanz in Tokio.
Gerade im Bereich Wohnen und Mobilität geht Japan außergewöhnliche Wege, von denen wir viel lernen können. Bei der Bereitstellung von Wohnraum setzt Japan nach dem Vorbild der Automobilindustrie schon lange auf modulare und serielle Bautechnik. Dadurch kann sich die Baubranche grundlegend verändern, indem Projekte schneller gefertigt werden können. Insbesondere im sozialen Wohnungsbau ergeben sich dadurch enorme Potenziale. In der Automobilindustrie setzt Japan auf Wasserstoff und hat als erstes Land der Welt eine Wasserstoffstrategie entwickelt. Ein Vorbild ist Japan beim Bahnverkehr: pünktlich, schnell, effizient. Arbeitsleben und Wirtschaft basieren auf einer perfekt funktionierenden Bahninfrastruktur. In einem Land, in dem der größte Teil der Bevölkerung in einem schmalen Korridor am Pazifik lebt, leisten Eisenbahnen als Transportmittel weit mehr als Autos und Flugzeuge. In Japan findet heute 30 Prozent des Individualverkehrs auf Schienen statt. Weit abgeschlagen folgt die Eisenbahnnation Schweiz mit 17,5 Prozent. Deutschland steht mit 9 Prozent Bahnanteil auf dem neunten Rang.
Tag 1:
Nach Ankunft auf dem Flughafen Haneda gab es zunächst eine Führung. Mit der Inbetriebnahme eines neuen internationalen Terminals (Terminal 3) im Jahr 2010 hat sich der bislang überwiegend für Inlandsflüge bekannte Flughafen mittlerweile zu einem der verkehrsreichten Flughäfen der Welt entwickelt.
Im Anschluss führte der Weg in die bayerische Repräsentanz. Diese wurde 1988 als erste Auslandsrepräsentanz des Freistaats eingerichtet, um in einer der größten Volkswirtschaften der Welt aktiv Standortmarketing für Bayern zu betreiben. Gleichzeitig unterstützt die Repräsentanz auch bayerische Unternehmen und Organisationen vor allem im wirtschaftlichen Austausch und beim Networking mit lokalen Wirtschaftspartnern. Bei einem gemeinsamen Abendessen mit dem Deutschen Institut für Japanstudien hat die Delegation ebenfalls viel über Land und Leute erfahren.
Tag 2:
Mit dem ÖPNV ging es zu einer der rund 170 Wasserstofftankstellen in Japan. Der Betreiber Iwatani hat sich zum Ziel gesetzt, eine flächendeckende Versorgungsinfrastruktur für Brennstoffzellenfahrzeuge aufzubauen. Im Anschluss gab es einen Austausch zum Thema Stadtplanung mit drei in Tokio ansässigen deutschen Architekten, die über ihre Erfahrungen und eigenen Perspektiven berichteten. Im Ministerium für Land, Infrastruktur, Verkehr und Tourismus (MLIT) wurde mit Vertreter*innen des Hauses Fragen zu den Themen Wohnraumförderung, Energieeffizienz und Öffentlicher Personennahverkehr erörtert. Zum Abschluss konnten im Mori Building Urban Lab. anhand eines interaktiven Modells von Tokio im Maßstab 1:1000 unterschiedliche Facetten der Stadtentwicklung nachempfunden werden: z.B. die sich verändernde Küsten im Laufe von 120.000 Jahre, die Komplexität des U-Bahn-Netzes oder die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung bis 2050. Durch verschiedene Szenarien kann Tokios Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft abgebildet werden.
Tag 3:
Mit der Tokioter Metropolregierung (TMG) und im Anschluss bei einem Arbeitsgespräch mit Vertretern des japanischen Parlaments wurde intensiv über die Herausforderungen des Klimawandels diskutiert. Auch hier heißt es handeln auf allen Ebenen.
Aktuell soll noch in diesem Jahre eine Verordnung auf den Weg gebracht werden, die bei Neubauten Wärmedämmung, Photovoltaik auf Dächern sowie Ladesäulen für Elektrofahrzeuge verbindlich vorschreibt. Danach ging es direkt zur TOKYU CORPORATION im Stadtteil Shibuya. Das Unternehmen befasst sich mit nachhaltiger Stadtentwicklung auf lange Sicht. Dazu gehört unter anderem die Revitalisierung von Stadtgebieten entlang der Eisenbahnlinien der Tokyu-Linie.
Tag 4:
Etwas außerhalb von Tokio ist das Unternehmen SEKISUI angesiedelt. Dort werden schon seit 50 Jahren modulare Häuser in Fabriken gebaut und in einem nahezu fertigen Zustand geliefert und vor Ort installiert. Mit der Entwicklung des „SEKISUI HEIM M1“ zusammen mit dem Architekten Katsuhiko Ono Anfang der 1970er Jahre, dem Prototyp eines in industrieller Produktion hergestellten auf vorgefertigten Raummodulen basierenden Wohnhauses, errang die Firma weltweite Aufmerksamkeit, konnte in der Vergangenheit in Deutschland aber nicht Fuß fassen. Bei einer Führung durch die Produktionsstätte sowie der Besichtigung eines Musterhauses konnte man sich von den Vorzügen der modularen Bauweise selbst ein Bild machen. 18.000 komplett eingerichtete Häuser in Stahl- oder Holzrahmenbauweise laufen pro Jahr vom Band. Im Anschluss ging es zur Saitama Schnellbahnlinie, die überwiegend unterirdisch die Strecke von Tokio nach Saitama betreibt und der auch die Schieneninfrastruktur gehört. Die Linie wurde 2001 vor der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2002 eröffnet, im Rahmen derer mehrere Spiele im Saitama Stadion ausgetragen wurden, wenige Gehminuten vom Bahnhof Urawa-Misono entfernt. Ohne funktionierenden Schienenverkehr wäre die Mobilität in der Präfektur Tokio nicht gewährleistet. Davon konnte sich die Delegation auch bei einer Führung durch das Eisenbahnmuseum in Omiya überzeugen.
Tag 5:
Zunächst ging es zum „National Institut of Advanced Industrial Science an Technology“ (AIST), einer der größten Forschungsorganisationen Japans. Mittels sieben Forschungsbereichen arbeitet man dort an Initiativen zum Aufbau einer nachhaltigen Gesellschaft. Dazu gehören „Grüne Technologien“ wie beispielsweise „Urban Mining“, die dicht besiedelte Städte als Rohstofflager der Zukunft begreift, in der identifizierte Wertstoffe aufbereitet und wiedergewonnen werden. In der Präfektur Ibaraki hat sich Delegation mit Vertretern der Verwaltung über das Thema „Landflucht“ ausgetauscht, das auch in Japan in vielen Regionen eine wachsende Herausforderung darstellt. Damit auch in schrumpfenden Regionen Mobilität insbesondere für ältere Menschen gewährleistet wird, sind in der 24.000 Einwohnerstadt Sakai seit 2020 dauerhaft drei autonom fahrende Busse im Einsatz, die im vielbefahrenen Straßennetz mit einer Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h unterwegs sind.
Tag 6:
Mit dem Superschnellzug Shinkansen ging es von Tokio ins rund 260 km entfernte Nagoya. In Sachen Pünktlichkeit belegt der Shinkansen, der 1964 zu den Olympischen Spielen in Betrieb genommen wurde, im internationalen Vergleich den ersten Platz. Die JR East, eine von sieben börsennotierten Regionalgesellschaften der Japan Railways, befördert auf einem vier Mal kleineren Netz als die Deutsche Bahn, jährlich mehr als drei Mal so viele Passagiere über eine fast doppelt so große Entfernung. Die durchschnittliche Verspätung der Züge liegt gerade mal bei rund 30 Sekunden. Ab 2027 soll auf der Neubaustrecke Chuo Shinkansen der Betrieb aufgenommen werden und damit die Fahrzeit von Tokio nach Nagoya auf der 286 km langen Strecke auf 40 Minuten reduziert werden. Mit 500 km/h soll der Zug unterwegs sein. Heute beträgt die Fahrzeit noch etwa anderthalb Stunden.