Gekommen war Hans-Josef Fell, Bundestagsabgeordneter der Grünen während der rot-grünen Regierungszeit seit 1998 und damals ein Vater des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Er betonte, dass die Atomgeschichte Deutschlands und der Welt noch lange nicht beendet ist. Als Folge der Tschernobyl-Katastrophe sind noch heute – 37 Jahre später – 1,8 Mio Menschen in der Ukraine als strahlenkrank anerkannt, darunter mehrere Hunderttausende von Kindern.
„Große Landstriche sind noch immer unbewohnbar. Und die im Sommer durch den Klimawandel immer häufigeren Waldbrände setzen in erheblichem Umfang gefährliche atomare Stoffe in die Luft frei und verteilen sie“, so Fell.
Grund zur Sorglosigkeit sei für die Menschen in Deutschland leider nicht gegeben, in Anbetracht all der anderen AKWs etwa in Tschechien, der Schweiz, Belgien, Schweden und Frankreich. Störfälle seien hier an der Tagesordnung.
Der noch immer geltende EURATOM-Vertrag der EU-Mitgliedsstaaten „muss weg“, fordert Fell deshalb klar. Dessen Ziel sei der Ausbau eine mächtigen Atomwirtschaft in der EU, das sei völlig unzeitgemäß.
Dennoch ist der ehemalige Grünen-Politiker und Physiklehrer, der sich jetzt noch immer landauf landab für die erneuerbaren Energien einsetzt, davon überzeugt, dass die Energiewende in vollem Gang ist. Im Jahr 2022 wurden nach seinen Worten weltweit 1.100 Milliarden Dollar Investitionen in Solar, Wind und E-Mobilität gesteckt. Nur 30 Milliarden Dollar waren es im Bereich Atom, hier aber zumeist in Abbau von Anlagen und in Endlagerung von Atommüll. „Warum?“, fragt Fell und gibt auch gleich die Antwort: „Weil es nicht rentabel ist! Die kommerzielle Energiewirtschaft lässt die Finger davon, weil sie das ganz genau weiß. Wo es neue Reaktoren gibt, stecken massive Staatszuschüsse dahinter.“ Und die entsprechenden Interessen, wie Fell betont: Nämlich Atomwaffen, denn „AKWs sind die Quellen des Materials, das man für Atombomben braucht.“
Fells Resümee:
„Der Spuk Atomenergie wird wegen den wesentlich billigeren Erneuerbare Energien bald vorbei sein – was als Vermächtnis bleibt, ist allerdings der Atommüll.“
In seiner Begüßungsrede namens der Stadt würdigte Zweiter Bürgermeister Jonas Glüsenkamp die Verdienste von Menschen wie Hans-Josef Fell, aber auch aller Bürger:innen, die in den letzten Jahrzehnten Widerstand gegen Atomkraft geleistet hätten. Er erinnerte an die Pläne für ein AKW bei Viereth, die in den 80er und 90er Jahren regelmäßig für Demonstratinen und Kundgebungen mit vielen Menschen gesorgt hätten, was schließlich im Jahr 2000 Erfolg hatte, als unter die Pläne ein Schlussstrich gezogen wurde. Glüsenkamp setzte aber auch mahnende Worte: „Wenn Einige leichtfertig über eine Renaissance der Atomkraft diskutieren, werden die Risiken, die ungelöste Endlagerfrage und die Unwirtschaftlichkeit oft vollkommen vergessen!“
Die Schilkröten-Skulptur war ein Spenden-Projekt des Bund Naturschutz und wurde gestaltet von dem japanischen Künstler Jin Mo Kang . Udo Benker-Wienands, damaliger Initiator des Projekts, war ebenfalls anwesend, er ist ein Atomkraftgegner der ersten Stunde und blickte kurz zurück und in die Zukunft: „Wir haben 50 Jahre Kampf hinter uns, aber der Atommüll wird uns noch unendlich beschäftigen.“ Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von Pawel, Saxophon-Spieler aus der Ukraine, dessen Abschlussstück den Kriegsopfern in der Ukraine gewidmet wurde.