Am 16. April 2024 fand im Bayerischen Landtag auf Initiative der Landtags-Grünen eine gemeinsame Anhörung von Bau- und Wirtschaftsausschuss zur „Lage und Perspektiven der Bauwirtschaft in Bayern“ statt.
Die Krisenstimmung in der Branche hält an. Hohe Inflation, steigende Zinsen, hohe Energiepreise und wachsende globale Unsicherheiten führen zu einem massiven Einbruch insbesondere im Wohnungsbau. Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes etwa erwartet 2024 einen Umsatzeinbruch von minus 13 Prozent im Bauhauptgewerbe. Laut ifo-Institut erreichten die Auftragsstornierungen im Wohnungsbau Ende Oktober 2023 einen neuen Höchststand. Gleichzeitig nimmt die Bevölkerung in Bayern zu, was wiederum die Wohnungssituation weiter verschärft.
Daher haben wir Grüne im Landtag mit einem Antrag die Durchführung einer Expertenanhörung gefordert. Durch die Anhörung sollten Erkenntnisse gewonnen werden, welche Maßnahmen seitens der Politik ergriffen werden können, um die Lage in der Bauwirtschaft zu entschärfen und nachhaltig zu verbessern.
Die Expert*innen forderten von der Politik dringend Maßnahmen zur Wiederbelebung der Bautätigkeit, darunter:
- Vereinfachung von Bauvorschriften
- Weniger Bürokratie
- Zuverlässigere Förderung und Rahmenbedingungen
- Maßnahmen zur Senkung der explodierenden Baupreise
- Erleichterter Zugang zu bebaubaren Flächen
Ohne dieses Bündel an Maßnahmen werde die Baukonjunktur auf absehbare Zeit nicht wieder in Schwung kommen.
Mehr Förderung für bezahlbaren Wohnraum
Die Expert*innen betonten, es brauche dringend mehr Fördergelder für bezahlbaren Wohnraum. Die Förderprogramme im Freistaat müssten attraktiver ausgestattet sowie die Förderstruktur insgesamt vereinfacht werden.
Abbau von Bauregularien
Auch der Abbau von Bauregularien wurde gefordert, um die Baukosten zu senken und die Branche zu unterstützen. Dies gelte für Bau- und Förderrichtlinien gleichermaßen. Anstatt starrer Regularien bei der Wohnbauförderung sei es besser Zielvorgaben bezüglich Bau- und Energiestandards zugeben. Der Weg dorthin müsse aber offengelassen werden. Nur so könnten sich innovative Ideen verbunden mit effizientem und kostengünstigem Bauen durchsetzen. Zudem wurde angeregt, die Schwellenwerte bei der Ausschreibung öffentlicher Bauprojekte anzuheben, um den Vergabeprozess für kleinere und mittlere Projekte zu entbürokratisieren.
Nachhaltiges Bauen
Ein weiterer wichtiger Punkt war das Thema nachhaltiges Bauen. Während über die Bedeutung nachhaltigen Bauens grundsätzlich Einigkeit unter den Expert*innen bestand, wurden Herausforderungen wie der Flächenverbrauch und die Schaffung einer Recycling-Infrastruktur für Baustoffe diskutiert.
Gefordert wurde, den Flächenverbrauch beim Wohnungsbau durch Bestandssanierungen, Aufsstockung bestehender Gebäude und Überbauung von Brach- und Gewerbeflächen zu reduzieren. Für mehr Kreislaufwirtschaft beim Bau müsse der Einsatz recyclingfähiger Materialien und Baustoffe ausgeweitet werden. Auch brauche es entsprechende rechtliche Grundlagen, um eine Recycling-Infrastruktur für Baustoffe aufzubauen. Innovative Baustoffe müssten schneller zugelassen werden, hier bremse wieder die Regulatorik aus. Zudem spiele nachhaltiges Bauen bei den Vergabekriterien für öffentliche Bauaufträge noch immer eine zu geringe Rolle.
Durch Änderungen in den Vergaberichtlinien könnten mehr regionale Anbieter berücksichtigt werden. Dazu sollten Qualität und Nachhaltigkeit bei Ausschreibungen stärker gewichtet werden. Die Expert*innen waren sich einig, dass eine rein preisbasierte Vergabe nicht mehr zeitgemäß sei.
Kritisch äußerten sich die Expert*innen zum Ziel der Staatsregierung, das Bauen mit Holz besonders zu fördern, da dies als Eingriff in den Markt angesehen wird. Der Staat müsse baustoffneutral fördern. Nur so komme jeweils der Baustoff zum Einsatz, der für den jeweiligen Bau der beste sei.
Digitalisierung
Laut den Expert*innen biete die Digitalisierung in der Bauplanung und -genehmigung Chancen. Allerdings fehle es dafür vielfach noch an den Grundvoraussetzungen. Auch gestalte sich die Kommunikation mit den Behörden vor Ort oft schwierig. Um die Genehmigungsverfahren entscheidend zu verkürzen, brauche es eine digitale Aufrüstung der Behörden.
Folgende Sachverständige waren von den demokratischen Fraktionen geladen:
- Johannes Edmüller, Vorstandsvorsitzender, Ziegelindustrieverband
- Andreas Eisele, Präsident, BFW Landesverband Bayern
- Prof. Lydia Haack, Präsidentin, Bayerische Architektenkammer
- Dr. Ulrike Kirchhoff, Vorstand, Haus & Grund
- Hans Maier, Verbandsdirektor, VdW Bayern
- Richard Mergner, Vorsitzender, Bund Naturschutz
- Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer, Bauindustrieverband Bayern
- Dr.-Ing. Werner Weigl, 2.Vizepräsident, Bayerische Ingenieurkammer Bau
- Dipl.-Ing. Wolfgang Schubert-Raab, Präsident, Landsverband Bayerischer Bauinnungen